Sonntag, 11.06.2023
Was für eine Reise. Unfassbar, was die drei Jungs – Paul, David und Ian – geleistet haben. Petoya Too ist – bis auf ein paar kleine Blessuren – wohlbehalten auf den Azoren angekommen. Sie liegt seit gestern Abend in Horta auf der Insel Fajal. Im „Päckchen“ (…wenn Yachten an der Pier keinen Platz mehr finden, müssen sie an einer anderen Yacht fest machen) liegt sie nach einer schwierigen Überfahrt als Nummer 3 ganz außen. Sie sieht aus, als sei in den vergangenen 19 Tagen nichts gewesen…
…dabei hat sie in dieser Zeit einiges einstecken müssen. Nachdem schon auf dem ersten Teilstück direkt nach dem Start auf Bermuda kräftiger Wind herrschte und die Crew mächtig durchgeschüttelt wurde, kamen danach im steten Wechsel Schwachwindzonen, in denen die drei den Motor anwerfen mussten und dann wieder stürmische Winde. Allerdings hat sich ja an dem Grundproblem, dass der Diesel im Haupttank durch die Dieselpest verseucht war, nicht viel geändert. Zum einen war vermutlich der getankte Treibstoff schon mit Bakterien verseucht und zum anderen waren wohl trotz der gründlichen Reinigungsaktion immer noch verseuchte Rückstände im Haupttank. Diese sind bei dem starken bis stürmischen Wind am Anfang der Reise so sehr verwirbelt worden, dass der komplette Tankinhalt kontaminiert war. Bei ruhigem Wetter ist das Problem deutlich geringer. Da setzen sich Rückstände auf dem Boden des Tanks ab und werden von dem Saugrüssel, der den Diesel in den Motor transportiert gar nicht erreicht. Aber wäre wäre Fahrradkette… Die drei Jungs an Bord waren sehr kreativ und wussten sich in jeder Situation zu helfen. Sie haben eine abenteuerliche Konstruktion gebaut und mit einer zweiten Elektropumpe, die als Reserve an Bord ist, sowie ein paar Schläuchen und Schlauchschellen vom Reservetank eine „Brücke“ gebaut und so den Motor mit saubererem Diesel versorgen können. Trotzdem konnten sie nicht so viel unter Motor fahren, wie gewünscht und kamen zeitweise mit nur 2 bis 3 Knoten Geschwindigkeit voran. Hinzu kamen immer wieder Gegenströmungen, die die Fahrt verlangsamt haben. Und dann kam noch ein richtiger Sturm auf, dem Paul, Ian und David leider nicht ausweichen konnten. Das Routing war nicht einfach. Die ursprüngliche Idee, zunächst auf etwa 41° nördliche Breite zu gelangen musste schon früh verworfen werden. Paul fragte mich per SMS, wo denn im Moment das Azorenhoch sei. Ich konnte in der weiteren Umgebung der Inselgruppe kein Hoch ausfindig machen. Das einzige Hochdruckgebiet von Bedeutung lag westlich von Großbritannien und verlagerte sich schon seit 10 Tagen kein Stück. Vielleicht erinnern sich die geneigten Leser, dass es hier in Deutschland über einen längeren Zeitraum Wind aus nördlichen Richtungen gab. Dieser hatte in den Nächten selbst Anfang Juni noch für Bodenfrost gesorgt. Auch dafür war das umfangreiche Hoch verantwortlich.
Die Nachrichtenlage von Bord wurde immer dünner. Hin und wieder schrieb Ian über sein InReach eine Message. Meist in knappen Worten. Daraus ging zumindest hervor, dass die Crew wohlauf war. Immerhin habe ich mich tatsächlich gedanklich ein wenig vom Boot und dem vielen Wasser und der Verantwortung lösen können. Aber im Hinterkopf habe ich bis zum heutigen Tage die Problematik, dass es außer mir bisher nur ein weiteres Crewmitglied für die Passage von Ponta Delgada nach Dublin gibt. Das wird ein hartes Stück Arbeit, wenn es dabei bleibt. Wer von Euch noch jemanden kennt, der ganz kurzfristig einen Törn nach Irland machen möchte, möge sich bitte bei mir melden.
Das Ziel rückte langsam näher aber es war gut, dass die Crew nicht so schnell unterwegs war. Über den Azoren braute sich genau vor einer Woche ein Sturm mit Orkanböen zusammen. Das wäre des bösen dann doch zu viel gewesen. Immerhin mussten die drei Schotten mehr als 40 Knoten Wind bewältigen, mitten auf dem Atlantik.
Danach beruhigte sich das Wetter und abgesehen von ein paar kürzeren Motoreinheiten konnten die drei Segler mit gutem Wind auch wieder Strecke gut machen. Nach 18 Tagen hatten sie die westlichste Azoreninsel – Flores – nur noch 40sm seitwärts und waren plötzlich auf MarineTraffic wieder „Sichtbar“.
Es ist zwar stockdunkel als die drei den Hafen von Horta anlaufen aber es ist noch Samstag. Damit sind sie etwas mehr als 19 Tage unterwegs gewesen und haben eine Strecke von etwa 2400 Seemeilen bewältigt. Das kann sich angesichts der Umstände sehen lassen.
Horta – das klingt gut. Dort bin ich vor 20 Jahren schon einmal gewesen. Die Azoren sind wirklich sehenswert. Die Menschen sind freundlich, der Kaffee ist günstig und die Landschaft grandios. Auf dem Foto oben ist der Berg Ponta de Pico auf der gleichnamigen Insel. Es ist 2351m der höchste Berg Portugals. Meist von Wolken verhüllt. Überhaupt sind die Azoren im Grunde genommen nur die Spitzen von riesigen Bergen, die aus dem Ozean ragen. Alles ist hier vulkanischen Ursprunges. In den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts fand auf der Insel Fajal der letzte Ausbruch statt und bescherte der Insel einen erheblichen Zugewinn an Landmasse. Der Leuchtturm im Westen der Insel steht seitdem nicht mehr am Rand sondern ziemlich zentral und ist damit seiner Funktion beraubt worden. Da die Azoren auf dem atlantischen Rücken liegen – das ist eine Spalte im Meer, die sich vom Südatlantik bis hoch nach Island zieht – ist auch in den nächsten Jahrhunderten immer wieder mit Vulkanausbrüchen zu rechnen. An dieser Spalte driften Europa und Afrika pro Jahr ca. 2cm weg von der amerikanischen Platte. Man nutzt hier die Erdwärme auf verschiedene Arten. Zum einen erzeugt man die nötige elektrische Energie und zum anderen werden in der nähe der schlummernden Vulkane knapp unter der Erdoberfläche schon Temperaturen von 60° bis 70° erreicht. Hier wird die Erdwärme zum Kochen genutzt. Riesige Kochtöpfe werden mit Gemüse und Fleisch gefüllt in Erdlöcher abgelassen. Diese werden verschlossen und nach etwas 5 bis 8 Stunden ist das Essen gar. Eine Spezialität auf den Inseln, „Cozido de Furnas“ genannt.
Bereits morgen geht die Reise weiter, wenn sich Paul nicht doch noch entscheidet, einen weiteren Ruhetag einzulegen. Dann geht es auf die abschließende Etappe nach Ponta Delgada auf der Hauptinsel Sao Miguel. Hier heißt es noch einmal Daumen drücken oder wie der Brite sagt: Cross Fingers
Hallo Herr Clemens,
schön wieder Ihr Boot nach der Atlantiküberquerung in sicheren Gefilden zu wissen – Zählen die Azoren eigentlich zu Europa? Politisch wohl ja, geographisch? Jetzt heißt es erstmal auch für Sie durchatmen und sich auf den kommenden Trip nach Irland vorzubereiten. Ich fiebere weiterhin mit Ihnen mit!
Hallo Thomas, fünf Daumen hoch für die drei schottischen Freunde und dein Boot Petoya Too. Für mich eine spannende Geschichte die ich dank des Internets jeden Tag mitverfolgen konnte. Habe selbst durch die Koordinaten die mir geliefert wurden die Reise auf eine Karte aufgezeichnet. Klasse Jungs die du ausgesucht hast.
Grüße aus Brandenburg von Roswitha und Dieter auch an deine Crew
Hi Thomas,
lesen gerade den Bericht. Noch einmal: Tolle Crew. Wir wünschen Dir natürlich von ganzem Herzen, daß Du noch jemanden findest, der Dich ab Übernahme unterstützen kann.
Irre, was man hier lernt.