Nach dem Frühstück gehen wir noch einmal ins Wasser aber leider sehen wir von den Schildkröten, die wir gestern Abend nach unserer Wanderung zum Leuchtturm im Wasser wahrgenommen haben, nichts mehr. Gegen 10 Uhr wird der Anker gelichtet. Unser Ziel heißt Vieques. Dort gibt es im Norden der Insel eine wunderschöne Bucht, die unter anderem auf der Navily-App als Ankerplatz ausgewiesen ist und in den Kommentaren als Bucht beschrieben wird, in der man Schildkröten, Rochen und andere Tiere und Pflanzen sehen kann. Auch in Navionics ist ein Ankerplatz ausgewiesen. Doch als ich in die Beschreibung der Bucht klicke, ist der neueste Eintrag (Juni 2022) mit der Bemerkung versehen, dass ab sofort hier ein militärisches Sperrgebiet eingerichtet ist und Ankern strikt untersagt ist. Ich rufe zur Sicherheit Jim an, der sich in diesem Revier so auskennt, wie in seiner Westentasche. Nach etwa 10 Minuten ruft er zurück und hat in der Zwischenzeit 3 Freunde angerufen, von denen der letzte bestätigt, dass die örtlichen Behörden den Strand gesperrt haben. Ich danke ihm für die Info und Hilfe, starte den Motor und fahre nun gegen die höher werdenden Wellen an. Bis zum östlichen Ende der Insel Vieques sind es nur ca. 3 Seemeilen. Aber der nächste mögliche Ankerplatz ist insgesamt noch 13 Meilen entfernt. Das bedeutet, dass wir auf jeden Fall 6 Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit brauchen, um noch bei Tageslicht den Anker schmeißen zu können.
Die Hoffnung, dass es auf der Südseite der Insel ruhiger ist, war vergebens. Die Bootsbewegungen sind nicht sonderlich angenehm und Meli ist etwas flau in der Magengegend. Auch Torsten fühlt sich müde. Aber beide halten tapfer durch und dann sind sie auch wieder hellwach, als es darum geht, in die Ensenada Honda – so scheint hier jede zweite Bucht zu heißen – einzubiegen. Wir müssen sehr wachsam sein. Torsten ist auf dem Vorschiff und hält Ausschau nach Riffen oder Flachstellen, Meli steht am Steuer und fährt akribisch die von mir gesetzten Wegpunkte ab. Ich beobachte alles und halte vor allem das Echolot im Blick und habe meine linke Hand an der Gangschaltung. Am Ende wartet einer der ruhigsten Ankerplätze auf uns, die ich auf dieser Reise bisher hatte. Auf nur 4m Wassertiefe fällt der Anker und hält sofort. Nur eine weitere Yacht liegt hier mit uns vor Anker. Gestern waren wir sogar vollkommen alleine. Keine halbe Stunde, nachdem wir hier angekommen sind, ist es stockfinster. Wir haben einiges richtig gemacht heute und es hat allen Spaß gemacht. Einzig die verfaulenden Algen, die auf der Rückseite der Bucht vor uns an den Strand gespült wurden, stinken zum Himmel.
Am nächsten Morgen geht es genauso wieder zurück. An all den Untiefen vorbei hinaus aufs Meer. Dabei tun sich vor uns immer neue Schattierungen der Farbe Türkis auf. Das Auge und das Herz sind hoch erfreut über diesen Anblick. Dabei brät allerdings die Sonne schon um 9 Uhr gnadenlos vom Himmel und wir tun gut daran, uns möglichst viel im Schatten aufzuhalten. Ansonsten lege ich jetzt auch wieder Lichtschutzfaktor 50 auf, um nicht zu sehr zu verbrennen. Das Ziel heute lautet Ensenada Sun Bay. Die liegt etwas östlich der Mosquito Bay und ist für ihre weltweit einzigartige Biolumineszenz bekannt. Auf dem Weg dorthin versucht Torsten sein Glück und wirft die Angelschnur samt Haken ins Wasser. Wir kreuzen vor dem Wind und versuchen einen Streifen algenfreies Wasser zu erwischen. Aber wir haben wieder kein Glück. Das ist sehr schade, weil ich extra einen Grill in die Backskiste gepackt habe und diesen seit 8 Monaten auf dem Boot herumkutschiere, ohne ihn auch nur ein einziges Mal benutzt zu haben. Es geht hinein in die weite Sunny Bay. Nur zwei weitere Yachten liegen vor Anker und ich kann mich gar nicht recht entscheiden, wo wir denn nun das Ankergeschirr fallen lassen sollen. Mit dem Dinghy geht es auf die andere Seite der Bucht, die etwa eine Meile entfernt ist. Beim Anlanden haben wir leider übersehen, dass hier der Schwell aus Südosten in Form von Wellen an den Strand klatscht. Ich nehme zu früh den Gang des Motors raus um in hochklappen zu können. So treiben wir plötzlich quer zur Welle und werden kräftig durchgeschüttelt und danach, als wir versuchen das Beiboot an Land zu ziehen auch noch richtig nass. Wir haben Hunger bis unter die Arme. Meli und Torsten machen sich auf den Weg zu einem Imbiss, der in der Nähe Streefood anbietet. Ich fotografiere die Umgebung. Hier wird das Karibikflair exakt bedient. Palmen – teilweise schief und krumm gewachsen ragen alle paar Meter in verschiedene Richtungen, weißer Strand aus Korallensand grenzt an das türkise Wasser.
Die beiden kommen mit ein paar Enseladas Conch als Snacks zurück und wir können den Hunger fürs erste stillen. Diese Schnecken schmecken erstaunlich gut.
Wo soll das denn jetzt leuchten?
Jetzt heißt es, das Dinghy wieder zurück ins Wasser zu bekommen. Zuerst steigt Meli ein, dann Torsten und ich versuche das Boot mit dem Heck in Richtung Wellen zu halten. Dort ist das Wasser tief genug, dass der Motor heruntergeklappt werden kann. Dann springe ich drauf und wir fahren zurück zu Petoya Too. Wir haben gar nicht mehr viel Zeit bis zum Sonnuntergang. Also fahren wir mit dem Beiboot aus der Bucht heraus. Wir wollen noch vor Einbruch der Dunkelheit in der Mosquitobay sein. Allerdings entpuppt sich diese Idee als nicht sehr gut durchdacht. Die Wellen draußen sind relativ hoch und ich überlege zurück zu fahren. Es ist völlig verrückt, das Vorhaben hier durchzuziehen. Ich frage die Beiden, wie sie sich fühlen. Sie sind ok und haben keine Bedenken, weil sie sich sicher fühlen. Ich denke daran, dass wir nachher bei völliger Dunkelheit zurückfahren müssen und mich beschleicht ein ungutes Gefühl. Trotz der Widrigkeiten erreichen wir die Mosquitobay und fahren in die große, nach allen Seiten gut geschützte Bucht hinein. Es scheint hier keinen signifikanten Austausch mit Frischwasser aus der Karibik zu geben und es stinkt ein wenig nach faulen Eiern. Jetzt wird es schnell dunkel und wir bewegen uns auf das Westufer des Biolumineszenz-Gewässers zu als plötzlich der Motor ausgeht. Das hatte ich erwartet, weil wir mehr als 2 Seemeilen mit dem Dinghy zurückgelegt haben aber der Tank sehr klein ist. Aus dem Kanister mit dem vor ein paar Tagen neu getankten Benzin fülle ich ihn wieder auf und versuche den Motor wieder zu starten. Allerdings geling das nicht. Egal ob ich den Schock ziehe oder nicht. Es passiert über einen Zeitraum von 20 Minuten gar nichts mehr. Aber irgendwie beunruhigt mich das gar nicht. Ich bin sogar sehr froh darüber. Wir sind gar nicht weit weg von der Station, an der die Touristen mit Geländewagen ans Ufer gefahren werden und dort in bereitgestellte Kanus verfrachtet. Hier beginnt dann die Tour hinaus auf den See um den sagenumwobenen und fast mystischen Effekt der leuchtenden Planktonteilchen beobachten zu können. Wir sind nur 50m davon entfernt und ich frage den Organisator, ob er uns helfen kann. Ich beschreibe das Problem und er sagt, dass er das Dinghy auf einen der Pickups setzen kann. Mir fällt ein Stein vom Herzen. Und wieder haben wir eine Situation gelöst bekommen, in der es auch einer Portion Glück bedurfte. Wir werden von einem 16-jährigen Fahrer zurück zur Sunny Bay gebracht und er ist ganz beschämt, als wir ihm etwas Geld für die Hilfe anbieten. Der Motor springt immer noch nicht an. Darum werde ich mich bei Tageslicht kümmern. Das war mal wieder ein Abenteuer.
Sonntag, 16.04.2023
Wir schlafen aus, weil wir uns für heute vorgenommen haben, einen etwas ruhigeren Tag zu verbringen. Am Morgen starte ich den Dinghy-Motor und er springt auf Anhieb an. Das könnte man als Zeichen interpretieren… Tagsüber ist es sehr heiß. Die Temperaturen erreichen locker 32°. Heute steht wieder Yoga auf dem Programm und wir setzen zum Strand über, breiten das große Tuch und ein paar Handtücher aus und dann leitet Meli die beiden Männer an, die tollsten Verrenkungen zu machen. Untermalt wird all das von der Musik, die vom Campingplatz zu uns herüberschallt. Das war sehr gut gemacht, Meli. Danke dafür!
Danach tanze ich am Strand mit mir selbst einen Merengue, weil sich niemand anders gefunden hat, der/die mit mir tanzen wollte. Allerdings werde ich dabei von einem einheimischen Pärchen beobachtet. Freudestrahlend kommen Benitez und seine Frau Norma von der Strandmatte nebenan zu uns herüber. Sie haben bemerkt, dass ich getanzt habe und sie haben sich daran erfreut. Ein wenig schwankt Benitez und kurze Zeit später ist klar, warum. Aus einer großen Kühlbox zieht er eine Flasche Rum, schenkt davon in ein 0,2 Liter-Glas (etwas mehr als die Hälfte) ein und dazu gießt er für einen anderen Farbton ein Schnapsglas voll Orangensaft. Seine Frau bemerkt meinen Blick und sagt, dass er damit seine Schmerzen wegbekommt. Und in der Coronazeit hat es geholfen, dass er nicht erkrankt ist. Wir nicken ungläubig. Er bietet uns an, uns zum Supermarkt zu fahren. Allerdings muss einer bei den Klamotten bleiben. Ich erkläre mich freiwillig bereit, hier zu warten. Meli und Torsten steigen ein. Es ist ein dicker Pickup und er ist wohl so langsam unterwegs, dass sie am Ende keine Angst mehr haben, an einem Baum zu landen. Der wenig üppige Einkauf für unseren Grundbedarf frisst schnell 75 Dollar auf. Torsten spendiert Benitez für die Fahrt eine Dose Bier und der ist zufrieden.
Am Nachmittag arbeite ich weiter am Unterwasserschiff und versuche dem Algenbefall Herr zu werden. Aber ich gucke nicht schlecht, als ich die Flächen betrachte, die ich an den Vortagen versucht hatte von Muscheln und sonstigen Bewohnern zu befreien. Wieder hat sich ein zarter Pflaum angehaftet und es sieht danach aus, als müsse ich gleich wieder von vorne anfangen. Meli Und Torsten gehen in der Umgebung schnorcheln und entdecken Schildkröten und Rochen.
Morgen soll es wieder zurück nach Culebrita gehen. Diese Insel hat uns so gut gefallen, dass wir denken, dass es kaum besser werden kann. Wir sind schon gespannt, welche Tiere uns dort begegnen werden.
Karibik pur. So, wie ich sie mir vorstelle. Traumhaft!
Happy Crew – happy Skipper – was will man mehr (lesen)!