• Beitrags-Kategorie:Segeletappen

Am Morgen, kurz vor der Abfahrt in Camaret-Sur-Mer

Ein Landausflug hätte sich gelohnt

Biscaya…

…hinter diesem Begriff verbergen sich diverse Mythen. Es ist ein Seegebiet, das den Ruf hat, mehr als 10m hohe Wellen zu produzieren. Das Europäische Schelf ist im Küstenbereich nur ca. 150m tief. Nach Westen fällt das Relief aber schnell steil ab auf fast 5000m. Da es speziell in der Biscaya oft Stürme gibt, türmen sich genau an dieser Kante die Wassermassen gigantisch auf. Wenn also die Biscaya überquert werden möchte, dann sollte man sich ein gutes Wetterfester aussuchen. Das war – aus meiner Sicht – gegeben, als wir am Sonntag Vormittag von Camaret-Sur-Mer abgelegt haben. Die Wetterapp „Windy“ prognostizierte durchweg moderate Winde aus östlicher Richtung. Das sollte bis Montagabend stabil so bleiben und danach sollte ein schmales Flautenband kommen und südlich dann der Wind auf SW drehen. Was soll ich sagen? Es ist exakt so eingetreten. Nur habe ich ein kleines Detail übersehen. Direkt südlich unseres Startortes war noch ein veritables Flautenloch. Das habe ich auf der Übersichtskarte von Windy übersehen oder als nicht gravierend betrachtet. Es kostet uns am Ende ca. 5 Stunden und einige Nerven bis wir es durchquert haben.

 
 

Großsegler in der Nähe von Brest

Foto: Detlef Bung

Wir gehen von Anfang an auf einen Wachrhythmus der uns Nachts ca. 4h Schlaf erlauben soll. Klar, dass das sehr wenig ist und wir jede freie Minute nutzen müssen, uns auszuruhen. So fahren wir unseren Generalkurs 210° und kommen leidlich voran. Ein Delphin – noch recht jung und klein – weckt unsere Aufmerksamkeit. Er spielt mit dem Schiff, scheint sagen zu wollen: „Hey kommt, da geht noch mehr Tempo!“ Detlef und ich applaudieren ihm für seine Darbietungen und ich glaube er nimmt unser freudiges Lachen wahr. Zum Schluss zieht er vor unserem Bug davon und macht noch einen hohen Sprung aus dem Wasser.

 

Es geht in die erste mondlose Nacht. Ein grandioser Sternenhimmel wird sichtbar, während wir
nahezu lautlos dahin gleiten. Ich habe Wache von 1 bis 5 und bringe die ganz gut hinter mich. Doch dann, als Detlef zur Ablösung kommt, bricht plötzlich Chaos aus. Die Geschwindigkeit geht von über 6kn runter auf 0. Wir schauen uns verdutzt an. Ich hatte kurz vorher ein Geräusch wahr genommen, eine Art Surren. Ich gehe ans Heck und sehe, dass wir ein Fischernetz überfahren haben, das sich am Ruderblatt verfangen hat. Meine Versuche, es mit dem Bootshaken abzustreifen scheitern und ich bin völlig durchnässt. Das Blöde ist, dass dieses Netz unser Heck genau im Wind hält. Es wirkt wie ein Treibanker. Das hat zur Folge, dass wir eine Halse nach der anderen fahren. Wir müssen die Fahrt aus dem Schiff bekommen. Aber bei dem Winddruck bekomme ich das Segel nicht heruntergerissen.
Die Genua haben wir eingeholt aber auf den letzten 2m hat sie sich um das Vorstag gewickelt und schlägt wie wild. Ich bekomme es mit der Angst zu tun. Plötzlich vollkommen manövrierunfähig mit der Chance, dass zusätzlich der Mast brechen kann. In meiner Verzweiflung starte ich den Motor und bitte Detlef, den Rückwärtsgang einzulegen. Meine Hoffnung ist – da wir einen Faltpropeller haben – dass wir dadurch vielleicht das Netz durchtrennen können. Aber es kommt besser. Wir schaffen es, den Druck aus dem Netz zu bekommen und es fällt vom Ruderblatt ab. Noch eine halbe Stunde dauert es, bis das Schiff wieder auf Kurs ist. Detlef und ich sind fix und fertig. Aber wie ist es dazu gekommen? Ich habe das Fischerboot ‚Pedro Rodriguez‘ in Verdacht, dass es zumindest tatkräftig
mitgewirkt hat. Schon lange vorher hatte ich ihn als ‚Hindernis‘ wahr genommen, war er doch mehrfach genau in unsere Kurslinie gefahren. Vielleicht hat er sich von mir provoziert gefühlt, weil ich ein paar mal in unsere Segel geleuchtet habe, um zu zeigen, dass wir nicht unter Motor fahren. Er hätte natürlich – als manövrierbehindertes Fahrzeug – Wegerecht. Auch danach, so berichtet mir Detlef, habe er weiter mehrfach unsere Bahn gekreuzt und Detlef musste ihm immer wieder ausweichen…
Fortsetzung folgt…

 

Dieser Beitrag hat 8 Kommentare

  1. Klaus L. aus RS

    …aber trotzdem gut angekommen!
    Jetzt erholt euch erstmal!

  2. Gaby Klasen

    ui, mit welchen Schwierigkeiten ihr zu kämpfen habt. Unglaublich.

  3. Barbar u. Peter Witczak

    Hallo Thomas, erst einmal freut es uns, daß Ihr im Zwischenziel angekommen seid. Da war ja richtig Dramatik drin. Es gibt halt auch auf dem Wasser Arschlöcher. Ich hoffe, das Anlegerfaß hat gut getan.
    Ruht Euch schön aus. Aber nicht zu lange – wir brauchen Eure action. Kilroy is watching you.

  4. SY Flönz

    Was für ein Überraschungsei! Spiel, Spaß, Spannung 🙂 Schön zu wissen, dass Ihr heil angekommen seid. Und nun gute Erholung!

  5. Karl-Peter Lux

    Hallo Thomas,
    du weisst , was am letzten Wochenende on Neuss war.
    Hat alles ohne Regen geklappt. Einigen mussteich von deiner Reise erzählen.
    Lasst in Zukunft die Fischernetze in “ Ruhe “

    Grüße auch an Detlev.
    Fasst vergessen: Die Mödköttel wünschen Mast und Schotbruch.
    Grüße
    Kpelke

  6. Nicole D.

    Oh mein Gott! Was für ein Schreck und was für ein Idiot!
    Ich habe euch mit Spannung auf VesselFinder verfolgt.
    Gut dass ihr heil im Etappenziel angekommen seid!
    Erst einmal gute Erholung und ich fiebere den nächsten Berichten entgegen!
    Liebe Grüße
    Nicole

  7. Martina

    Puh! Ich wollte mir doch keine Sorgen machen 😉
    Habt weiter eine gute Fahrt!

  8. Axel W.

    Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erleben. So etwas braucht man aber nicht. Aber sehr gut gelöst. Weiterhin drücke ich die Daumen!

Schreibe einen Kommentar