Auch das Ausparken ist nichts für schwache Nerven. Der Hafen wurde schon immer bis zum letzten Quadratmeter zugepflastert und es gibt Zeiten, da muss man ein paar Stunden warten, um ihn wieder verlassen zu können. Man sollte also nicht als erster hier sein und dann ganz hinten in der Marina den Liegeplatz haben.
Langsam müsste die Gasflasche am Ende sein. Ich hoffe, dass wir die geplanten Pfannkuchen noch backen können, bevor sie leer ist. Immerhin hat unser Cherbourg-Einkauf genau hingehauen und es hat uns an nichts gefehlt. Aber da ist ja auch noch die letzte Dose, die Conny mir mitgegeben hatte. Ich bin so gespannt, was drin ist und will die „Notration“ auf jeden Fall heute noch öffnen.
Unter Motor schieben wir weiter durch den Noordzeekanal in Richtung Oranjesluizen. Sie ist offen und kurz nachdem wir eingefahren sind, schließen sich die Tore hinter uns. Der Höhenunterschied ist marginal. Hier in den Niederlanden ist es oft so, dass man vom Meer aus in Richtung Land nach unten geschleust wird. Große Teile des Landes sind hier ja unterhalb des Meeresspiegels. Das wird dann bizarr, wenn man über einen der vielen Kanäle fährt und drum herum sind die Weiden mehr als einen Meter tiefer unten. Wenn ihr also das nächste Mal nach NL fahrt, achtet darauf. Es fällt einem sofort ins Auge. Hinter der Schleuse kommt die Schellingwoudebrug. Auch die öffnet, wie von Geisterhand gesteuert, direkt vor unserer Nase. Noch ist der Wind zu schwach und wir müssen ausnahmsweise etwas länger unter Motor fahren. Angesagt sind heute 3 bis 4 später 4 bis 5 Bft aus NW. Das verspricht einen sogenannten Am-Wind-Kurs. Wir planen für die Gesamtstrecke nach Urk etwa 7 Stunden ein. Die Streckenlänge beträgt ca. 33 Seemeilen, doch die Schleusen – in Lelystad gibt es gleich noch eine – brauchen normalerweise etwas mehr Zeit.
Als wir „Het Ij“ verlassen und ins Markermeer eintauchen, ist genug Wind da. Segel hoch, Windfahne raus und los geht es. Was sind das doch für kurze Distanzen hier im geschützten Revier. Ein Witz gegen all das, was an Strecken hinter Petoya Too liegt. Markus schiebt Wache und ich gehe unter Deck und bereite den Teig zu. Es gibt eine Variation der Pfannkuchen. Speck, Zwiebeln und Paprikastücke schmeiße ich in den Teig und dann wird alles mit Reibekäse überbacken. Gar nicht so schlecht.
Die Schleuse in Lelystad nimmt etwas mehr Zeit in Anspruch. Wobei der Höhenunterschied zwischen Markermeer und Ijsselmeer quasi nicht vorhanden ist. Am Ende dient diese Schleuse eigentlich nur einem zeitweisen Niveauausgleich. Kaum liegen wir in der Schleuse und die Tore hinten sind geschlossen, öffnen sich vorne schon 2 Minuten Später die anderen Tore wieder. Wie erwartet nimmt der Wind leicht zu. Trotzdem bleibt die komplette Segelfläche oben. Das erschwert die Arbeit an den letzten Pfannkuchen enorm. Aber die Wellenbewegungen sind hier so gering, dass ich nur die Schräglage ausgleichen muss.
Jetzt kommt der Moment der Wahrheit und damit die Auflösung eines Rätsels, das schon seit einem Jahr mitfährt. Ich hole die blanke Konservendose mit der Entweder-Aufschrift hoch. Ich muss sie noch von ein wenig Patina befreien, das sich auf der Oberfläche ausgebreitet hat. Dann der große Moment. Ich hatte mir Gedanken gemacht. Was könnte es sein, wenn doch in der „Oder“-Dose süße Pfirsiche waren, kann jetzt nur etwas völlig anderes zum Vorschein kommen. Ich vermute dicke Bohnen oder Erbsen und Möhren. Doch alles ist weit gefehlt. An dieser Stelle sind „Entweder“ und „Oder“ völlig identisch. Wieder kommen Pfirsiche zum Vorschein. Leider sind es 7 Hälften. Das bedeutet, dass mein Bruder 3 bekommt und ich 4. Oder wie war das nochmal mit der Verteilung unter Geschwistern 😊
Wir nähern uns Urk und der Hafenmeister scheint uns schon erwartet zu haben. Es gibt tatsächlich noch einen Platz in der Box im Hafen. Wir streifen durch die Gegend, kaufen noch etwas ein und dann gibt es das, worauf ich mich schon seit dem Ablegen vor einem Jahr gefreut habe: Eine Portion Kibbeling met Frites. Die ist heute besonders lecker. Wir haben zwar den Bauch noch voll von Pfannkuchen und Pfirsich aber dieser Kibbeling ist ein Gedicht und passt bestens noch hinein.
Urk hat sich im vergangenen Jahr verändert. Es scheint, dass das Hafenmanagement neu ist. Es gibt ein neues Toilettengebäude mit richtig sauberen Sanitäranlagen, die Stege sind neu nummeriert und der Hafenmeister ist super nett.
Samstag, 05.08.2023
Das Ende der Atlantikrunde naht. Wir frühstücken noch einmal ausgiebig im Freien und legen dann für den letzten kurzen Schlag ab. Ich habe schon die Flaggenparade vorbereitet und kurz getestet. Dabei habe ich all die Flaggen von den Ländern, die ich besucht habe zusammengeknüpft. Ein paar Länder fehlen zwar aber diese Lücke habe ich sinnvoll aufgefüllt. Aus dem Flaggenalphabet forme ich die Buchstaben für die Wörter „PETOYA“ und „FIN“. Alles ist vorbereitet für die letzten Meilen. Markus und ich malen uns aus, wie der Empfang wohl aussehen wird. Wir erwarten niemand geringeren, als den König 😊 Willem Alexander und seine Frau Maxima haben zugesagt. Allerdings bringen sie ihre Kinder mit, da sie keinen Babysitter bekommen haben. Auch „Trixi“ – die Mutter des Königs – ist mit dabei. Sie reist mit ihrem Plattbodenschiff „De Groene Draeck“ an. Das ist ein wunderschön erhaltenes und gepflegtes Boot. Wir sind dort auf ein Stück Kuchen eingeladen. An der Ketelbrücke werden wir von tausenden Zuschauern begrüßt, die sich am Geländer drängeln. Ein Feuerlöschboot wartet hinter der Brücke um uns gebührend einzunässen. Längs des Ufers ist ein Tag-Feuerwerk installiert. Was für ein unglaublicher Aufwand für uns bescheidene Segler. Das wäre wirklich nicht nötig gewesen aber wir freuen uns natürlich sehr über die Aufmerksamkeit, die uns Zuteil wird.
So legen wir ab, nähern uns unter Motor der Brücke. Da ereilt uns die Nachricht, dass Beatrix einen Schnupfen hat und Ihr Sohn noch einen wichtigen Termin wahrnehmen muss. Sie lassen sich entschuldigen und wünschen uns per Telegramm alles Gute. Wir sollen einfach bei nächster Gelegenheit zum Palast kommen. Dort wird ein Empfang für uns vorbereitet. Uns wundert nur, dass auf der Brücke nur ein paar unentwegte Autofahrer darauf warten, dass die Klappbrücke wieder gesenkt wird, damit sie weiterfahren können. Es sieht danach aus, als seien sie nur gezwungenermaßen an der Brüstung. Und sie winken uns nicht zu sondern bedeuten uns mit ausladenden Armbewegungen, dass wir uns gefälligst beeilen sollen. Wir kosten das aus und lassen uns bei der Durchquerung der Brücke besonders viel Zeit. Außerdem müssen wir zunächst den Gegenverkehr durchlassen.
Noch ein letztes Mal heißen wir die Segel und rauschen mit mehr als 6 Knoten auf den Hafen zu. Ich überlege, ob ich mich mit dem Datum vertan habe. Es kann sein, dass ich allen gesagt habe, dass wir erst am Sonntag hier sein würden. Ich mache mir Vorwürfe, dass ich das nicht sauber kommuniziert habe. Aber es ist vielleicht auch gut, wie es ist. So haben wir alle Zeit der Welt, noch ein paar Drohnenaufnahmen zu machen und dann in der Box 125 festzumachen. Mein Onkel Karl-Heinz erwartet uns schon. Er hatte sich angeboten, uns abzuholen und nach Hause zu bringen. Lieben Dank dafür, Karl-Heinz!!!
Wir räumen auf, packen unsere 7 Sachen und dann verlassen wir das Boot, als wäre es nur ein kurzer Wochenendausflug gewesen. Kein großes Tamtam, kein Abschiedsschmerz. Alles vollkommen normal. Andreas – der Vizehafenmeister – hatte sich darum gekümmert, dass wir einen Liegeplatz bekommen. Auch ihm ein herzliches Dankeschön.
Jetzt bleibt Petoya Too noch etwa einen Monat im Wasser, bevor es in die Halle gelegt wird. Im Winter muss ich noch einmal ran und viel werkeln. Es gibt einige Gebrauchsspuren nach einem Jahr so intensiver Nutzung. Und daran muss ich arbeiten, bevor ich das Boot im nächsten Jahr auf den Markt setze. Für mich schließt sich dann ein Kapitel und ein neues wird geöffnet.
Ich werde wie schon angedeutet noch ein Fazit schreiben. Aber dafür ist es jetzt noch zu früh. Jetzt muss ich mich wieder an den früheren Rhythmus gewöhnen und in die alte Welt eintauchen.
Was jetzt schon vollkommen klar ist, dass eine solch lange Reise den Horizont erweitert – im wahrsten Sinne des Wortes – und der Blick auf die Welt ein anderer ist. Wobei ich das auch schon von anderen langen Reisen in der Vergangenheit kenne.
Wer aber eine Auszeit nehmen will, der kann sich nicht dahinter verstecken, dass die Zeit nicht reif ist. Wenn man es wirklich will, dann muss man es tun.
Nicht irgendwann (wer weiß wann das ist), sondern jetzt.
Moin Thomas und Markus,
willkommen „daheim“… , ist schon verrückt, vor genau einem Jahr habe ich meinen ersten Kommentar geschrieben… und das eine der Notfall-Dosen es wieder zurück nach Europa schafft hätte ich auch nicht erwartet. Als ich damals im Supermarkt stand war auch meine erste Überlegung: eine Dose Süßes, eine Dose Herzhaftes… aber, nach mehrmaligem Test-Schütteln der verschiedensten Dosen, von Chili con Carne über Bohneneintopf habe ich dann doch gedacht: pack‘ was ein, über das Thomas und seine Crew sich vielleicht freuen. Wer es noch nicht gemacht hat: einfach mal in der Dosen Abteilung des Supermarkts seines Vertrauens diverse Dosen aus dem Regal nehmen, ans Ohr halten und schütteln… die Blicke der anderen Kunden (was macht die denn da??) sind unbezahlbar, die wissen ja nicht worum es geht, die halten einen nur für verrückt… ich hatte jedenfalls Spaß dabei und bin auch lachend zur Kasse gegangen. Schön, wenn es geschmeckt hat.
Vielen herzlichen Dank nochmal, dass ich an Deiner Reise so zeitnah teilhaben durfte, wenn ich nach dem tägliche Regenbogen gefragt habe, war auch am nächsten Tag ein tolles Foto im Blog… Danke!
Bin gespannt auf Dein Fazit… aber, Reisen bereichert… oder? ( kein … entweder)
Lieber Thomas, lieber Markus, nochmals
GRATULATION an Euch beide zur
glücklichen Heimkehr von der großartigen Atlantikrunde, die ja auch manchmal nicht ungefährlich war. Wir hätten Euch gerne königlich begrüßt und in Empfang genommen , wenn wir Ort und Zeit Eures Anlegens im holländischen sicheren Hafen gekannt hätten. Hätte, hätte…. Der letzte und auf-
munterndste Satz
Deines tollen BLOGS ist der beste: Er hätte von Jürgen sein können, der immer gesagt hat: Wenn Du aufs Matterhorn willst, dann gehe los. JETZT. (kleine Bemerkung am Rande): er ist ja auch tatsächlich oben gewesen. Wir freuen uns auf Dich, bald. Liebe Grüße Mutti und Jürgen
Es war mir eine große Freude, Euch im Schokkerhaven in Empfang zu nehmen und nach Hause zu fahren. Nochmals herzlichen Dank für die schöne Zeit in der Karibik bei Dir an Bord!!!
Karl-Heinz
Lieber Thomas, lieber Markus, auch von uns Glückwünsche. Dir Thomas, noch einmal vielen Dank für ein Jahr hochinteressanter Reiseberichte und die tollen Photos. Wir freuen uns jetzt schon auf Deine nächsten Reiseberichte, ob per Boot, per Pferd oder Wohnmobil. Es bleibt spannend .Liebe Grüße von Barbara und Peter. Bis bald.
Hallo Thomas und Markus, das habt ihr großartig gemeistert. Wir finden es auch passend, dass die Gasflasche für die Pfannenkuchen gehalten haben. Wir hatten genau im Schockerhafen nicht so viel Glück und mussten uns für die zwei Schollen in der Pfanne Gas von freundlichen Holländer ausleihen. Daraus wurde ein feucht fröhlicher Abend und den haben wir noch gut in Erinnerung.
Wir hätten euch gewünscht bei der Ankunft einen größeren Bahnhof mit König*in und dem ganzen Hofstat zu erleben, aber wenn sie Schnupfen hat geht es leider nicht.
Deine Berichte wirst du bestimmt in einem Buch zusammen fassen. Hiermit bestelle ich die Erstausgabe.
Es waren für uns spannende Berichte und eine Zeit die uns an unsere Segelei erinnert haben, die natürlich nicht mit Deinen Erlebnissen zu vergleichen sind, denn wir waren Küstensegler mit oft festem Hafen für die Nacht. Lass uns wissen wie es mit deinem Boot weiter geht denn die HR 352 ist uns ans Herz gewachsen da wir das Boot mehrere Male für Schweden, Norwegen, Finnland und Dänemark gechartert hatten.
Liebe Grüße aus Brandenburg von Roswitha und Dieter