• Beitrags-Kategorie:ARC / Segeletappen

In der Nacht zu Samstag ist der Wind zwar schwach aber wir können segeln, mit bis zu 5 Knoten. Alles sieht für mich nach einer ruhigen Wache aus. Die Bewegungen im Boot sind erträglich und wir kommen alle auch zu etwas Schlaf. Als Guido zur Wache erscheint, nimmt der Wind rapide ab und das Großsegel schlägt wie vom Teufel geritten hin und her. Ich enschließe mich, es weg zu nehmen, während Guido am Steuer steht. Doch was dann passiert, ist unglaublich. Es zieht sich blitzartig zu und fängt an zu regnen. Aber es ist nicht irgendein Regen, es ist die Sintflut. Dabei dreht der Wind Kapriolen. Er ist nicht stark aber wir befinden uns plötzlich auf dem Kurs zurück nach Las Palmas. Wir schiften das Vorsegel auf die andere Seite, fallen ab und lassen die Windfahne wieder arbeiten, doch schon wieder hat der Wind gedreht. Das alles bei Kübeln von Wasser, die sich mehr als 90min über uns ergießen. Also jetzt per Hand versuchen, das Schiff wieder auf den richtigen Kurs zu bringen. Das gelingt am Ende auch aber ich bin nass bis auf die Haut. Statt schon zwei Stunden zu schlummern, sitze ich um 6 Uhr immer noch im Cockpit. Wie stark es geregnet hat verdeutlichen uns am kommenden Tag die beiden „Pützen“. Diese sind jetzt halb gefüllt mit Regenwasser. Diese Regenmenge hätte in Düsseldorf für das komplette Jahr ausgereicht. Eine Kuriosität bei alldem ist allerdings, dass Chris unten im Salon von den Szenen , die sich um ihn herum abgespielt haben, nichts mitbekommt. Leise schnarchend liegt er in seiner Koje als wäre es der ruhigste Ort der Welt. Guido und ich schauen uns ungläubig an, dass man bei solch einem Radau scheinbar seelig schlafen kann. 

Wir kommen jetzt zwar nur noch langsam voran aber es war ja schon zu erwarten, dass wir in eine Flaute geraten. Wir hatten vereinbart am frühen Morgen unser großes Leichtwindsegel zu setzen. Gesagt, getan, der sogennannte Blister ist bald oben. Einzig die Schot (eine Leine mit der man das Segel richtig zum Wind ziehen kann) macht mir ein wenig Sorge. Sie gefährdet unser Solarpanel an der Steuerbordseite. Noch während Chris und ich versuchen, das wie wild schwingende Segel in den Griff zu bekommen und dabei vor allem nach vorne schauen, kracht es plötzlich neben mir und ein Geräusch von splitterndem Glas ist deutlich zu vernehmen. Die Schot hat sich unter dem Panel verhakt und es dann mit Gewalt ausgehebelt. Die Scheibe des Solarpanels ist mehrfach gebrochen. Ich fühle mich wie ein Häufchen Elend als ich den Schaden betrachte. Unter Tränen berge ich mit Chris den Blister wieder. Guido nimmt mich in den Arm und tröstet mich und auch Chris spricht uns allen Mut zu. Ich ärgere mich, weil ich dieses Unheil irgendwie hatte kommen sehen. Aber ich bin auch dankbar, dass ich die beiden Jungs an Bord habe!

Nun dümpeln wir also über den Atalantik und haben immer noch nicht die 2000er Marke erreicht. Den ganzen Tag über trimmt Chris die Segel, am Ende ist es auch wieder der Blsiter, der mit seiner enormen Fläche für einen Vortrieb sorgt, der zeitweise bei 2 Knoten liegt. Das ist ungefähr das Tempo, die eine Weinbergschnecke schafft, wenn sie im Pfälzerwald einen Abhang herunter rutscht.

Ich möchte an dieser Stelle nochmal ganz herzlich meinem Freund Torsten danken, der mir unermüdlich in allen Situationen Hilfe leistet. Nicht nur, dass er den Blog für mich jeden Tag ins Netz setzt. Er versorgt uns mit Euren Kommentaren, holt Wetterdaten ein und informiert uns, was in der Welt außerhalb unseres Mikrokosmos alles passiert. Und wenn es – wie zuletzt – ein Problem mit dem Funkgerät gibt, erstellt er Diagnosen und macht Lösungsvorschläge. Nachdem wir unsere Mails via Funk nicht mehr abrufen konnten, stellt er fest, dass wir zu wenig Spannung am Tuner vorliegen haben. Und er trifft damit genau ins Schwarze. Danke Torsten!!!

Der Tag bringt uns das bisher schlechteste Etmal. Nur 108sm stehen zu Buche und es werden in den nächsten Tagen eher noch weniger. Erst am späten Nachmittag ereichen wir die Marke von weniger als 1000sm bis zum Ziel. Die Aussichten an dem Flautengebiet vorbei zu kommen sind quasi nicht vorhanden. Unsere Tour wird sich definitiv länger hinziehen als erhofft. Nun ist sie mehr denn je gefragt: Geduld. Wir fügen uns in unser Schicksal und versuchen das Beste draus zu machen. Unter anderem wieder „Workout“ mit dem Wassermacher, Angelversuche, Segeltrimm und nicht zuletzt Kochen. Chris meint, wir sollte nach der Tour ein Kochbuch heraus bringen. Bei den kulinarischen Spitzen, die wir hier draußen erleben, ist das gar keine schlechte Idee. Übrigens nutzen wir das eingefangene Regenwasser auch noch zum Waschen unserer Klamotten. Dann wird der Motor gestartet – diesmal mit Vortrieb – wir wollen endlich diese psychologische Marke hinter uns bringen. Drei Stunden bleibt der Jockel in Betrieb, das wird uns Strafzeit einbringen aber das ist uns ziemlich egal mittlerweile.

Wir suchen weiter nach der besten Route. Bleibt dran und unterstützt uns gerne mit Ideen.


Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Birthe

    Ein 4. Crewmitglied wie Torsten zu haben, ist Goldwert. Dank an ihn. Und die Idee mit dem Kochbuch ist klasse. Bin eh ein Fan Deiner Kochkünste, Chris. Drücke euch die Daumen für diese kritische Phase der Fahrt und vor allem günstige Winde!

  2. Gaby Klasen

    Das Flautengebiet ist großflächig und lang anhaltend. Schicke die per Mail ein paar windfinder screenshots von einem Bekannten, der mit seinem 8-Meter-Boot die halbe Welt in Etappen besegelt. Schade mit dem Solarpaneel. Kopf hoch, Ihr seid eine tolle Truppe!

  3. Marianne

    Thomas ,ich hab eben einen großen Schrecken gekriegt beim Lesen dieses Fast-Dramas. Ich weiß nicht, ob Ihr diese Daten auch alle habt. Laut yb-races von jetzt beträgt Eure Strecke noch 942,7 NM und Ihr seid im Cruising E auf Platz 11, in Cruising All auf Platz 78 und in All Boats auf Platz 117 bei z.Zt. 2,7 kn. Alles Gute und etwas mehr Wind!! Mutti

  4. Rouven Wetzel

    Jetzt ist Gedult gefordert. Auch wenn es schwer fällt. Das Feld scheint aber ja dicht beinander. Wir sehen gerade auf der App, dass eine Geschwindigkeit von 0,8 angezeigt wird!? Wir pusten mal kräftig nach Süd Ost. Toi, toi, toi

    The Wetzels

  5. Entweder... Oder

    Geduld und Gelassenheit… Geduld und Gelassenheit…
    Ja, ich weiß, könnt ihr jetzt nicht mehr hören, aber, Geduld und Gelassenheit muß man auf einer Tour über den Altlantik einfach mal mitbringen.
    Warum muss uns das jetzt passieren? – Warum nicht?
    Und die spannenste Frage ist die: Wer weiß, wofür es gut ist?
    Bei meiner Reise damals hat auch so einiges nicht geklappt wie geplant, anstelle eines Inlandsfluges wurde es eine 48 Std. Busfahrt… aber, dadurch waren eben auch Leute zeitgleich mit mir angekommen die ich sonst nie getroffen hätte… und die waren ein „Jackpot“…
    Vielleicht wären 48 Std. früher auch „Jackpot“ Leute da gewesen, weiß ich aber nicht.
    Fazit: nehmen wie es kommt und Weinbergschnecken sollten schon mal für den Limbo-Dance üben!
    Wer weiß, wofür es gut ist…?
    PS, Mein Etmal für heute habe ich auch nicht erreicht, wollte vor Mitternacht im Bett sein, musste aber noch einen Kommentar abgeben …

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