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Noch 50sm ToGo. Im Hintergrund erkennt man dunkle Wolken...

Wir nähern uns der Ziellinie – unaufhaltsam – und freuen uns am Nachmittag nur noch 50 Seemeilen vor den Nasen zu haben. Aber wir hatten nicht damit gerechnet, dass der Atlantik auch zum Schluss dieser Reise noch einmal zeigt, weswegen es sich lohnt, mit großem Respekt an ein solches Abenteuer heran zu gehen. Nachdem wir die lange anhaltenden stürmischen Winde halbwegs überstanden haben, Chris und Guido völlig übermüdet und vom Regen aufgeweicht trotz nahendem Land in ihre Kojen verschwinden, sitze ich nun im Cockpit. Der Regen ist schwächer geworden aber der Wind auch. Unter einem Schirm suche ich Schutz und versuche mit meinen Füßen zu steuern, während ich den Blogbericht schreibe. 

Zwar hatten wir uns vorgenommen bei der ersten Sichtung von Land alle aufzustehen und damit unsere Vorfreude weiter zu steigern. Aber irgendwie ist nach dem abschließenden Horrorszenario keinem mehr danach zumute. 

Ich sehe zunächst den Widerschein von Lichtern in den Wolken und dann kurz darauf erste Lichtpunkte am Horizont. Da ist es endlich: Laaaaand in Siiiicht!!!!!!!

Ich freue mich wie ein Schneekönig darüber aber die Müdigkeit überstrahlt gerade einiges. Noch 20sm – d.h. nur noch 4 Stunden. So ganz langsam fällt eine gehörige Portion Anspannung von mir ab. Yesss, wir haben es nun wirklich geschafft. 

Guido erscheint zu seiner letzten Wache an Deck und übernimmt das Steuer. Noch 15 sm. Chris steht jetzt auch auf. Gemeinsam sitzen wir andächtig im Cockpit und hängen unseren Gedanken nach. Noch 10 Seemeilen zum Ziel. Wir haben Saint Lucia zum Greifen nahe, hören schon das mächtige Meeresrauschen. Die lange Atlantikdünung bricht sich, nachdem sie mehr als 5500km  Raum zum Aufbau hatte, an den Felsen der karibischen Inseln. 

Wir segeln nun im Schutz der Insel, Wind und Wellen nehmen rapide ab und wir fahren nur noch mit etwa 3kn. Ich rufe ARC-Finish-Line und kündige unsere Ankunft an. Noch verbleiben 60min bis wir die Ziellinie erreichen. Guido versucht es nun mit Leichtwindsegeln und auch hier zeigen uns noch einmal der Atlantik und der Wind, wer wirklich das Sagen hat. Wieder ist es ein Geduldsspiel. Wir runden Pidgeon Island. Dann geht es in die Rodney Bay. Wir rufen noch einmal die Finish-Line und werden überaus freundlich begrüßt und beglückwünscht. Ein kleines Motorboot erscheint und Tim Wright – ein bekannter britischer Fotograf – schießt einige Fotos von uns.

Zur Feier unserer Ankunft legt der Funker auf der Zielyacht “ I would walk 500 miles…“ auf und hat hörbar Spaß an seiner Einlage. Es zaubert uns allen ein Lächeln ins Gesicht. Trotzdem müssen wir uns konzentrieren. Der kaum spürbare Wind verlangt seglerisches Können. Zwei Wenden sind nötig und dann schaffen wir es mit dem letzten Hauch über die Ziellinie. Wir brechen in unüberhörbaren Jubel aus und umarmen uns. Wir haben es geschafft. Ein wenig Stolz schwingt jetzt mit. Wir müssen schnell die Segel bergen und bekommen dann weitere Anweisungen. Es geht durch die enge und schlecht beleuchtete Hafeneinfahrt in den Marinabereich. Dort übernimmt jetzt eine ARC-Mitarbeiterin und weist uns einen Liegeplatz zu. Es ist mitten in der Nacht. Die Ziellinie hatten wir um 01:23 Uhr Ortszeit gequert aber trotzdem sind noch einige Teilnehmer auf und rufen uns zu, beglückwünschen uns, tröten und klatschen. Rückwärts geht es in die Box 09 am Steiger B. Leinen werden angenommen und das Boot liegt fest, der Motor ist aus, wir sind da, in Saint Lucia. Können es kaum fassen. Wir werden herzlich von ein paar Mitarbeitern der ARC begrüßt, es gibt Rum-Punsch und einen großen Korb mit allerlei Leckereien (Obst und Rum). Wir betreten nach 23 Tagen und etwas mehr als 16 Stunden wieder festen Boden. Was für ein herrliches aber auch seltsames Gefühl. Es ist kaum zu beschreiben, was das für ein Geeier ist. Es fühlt sich an, als stünden wir bei IKEA im Spieleparadies mitten auf den kleinen bunten Bällen und müssten versuchen, uns aufrecht fortzubewegen. Wir schwanken und liegen uns in den Armen. Zur Begrüßung sind auch Julie und Steffen erschienen – worüber ich mich sehr freue – und feiern mit uns unsere glückliche Ankunft. Der Punsch ist stark und bildet ein Gegengewicht zu den eben beschriebenen Bällen. Schon sind wir in der Lage, geradeaus zu gehen. In Deutschland wird es langsam hell und wir können noch nicht schlafen, sind viel zu aufgewühlt. Also telefonieren wir erstmal nach Hause und freuen uns über den lange ersehnten und vermissten Kontakt zu unseren Lieben daheim. Dann, gegen 3 Uhr geht es ins Bett und wir fallen in einen komatösen Schlaf. 

Jetzt sind einige administrative Dinge zu erledigen. Die karibischen Inseln sind dafür bekannt, dass es beim sogenannten „Einklarieren“ sagen wir mal ein wenig entspannter zu geht. 

Zunächst zum „Gesundheitsamt“, eine Erklärung abgeben, dass alle gesund sind. Dann zum Zoll und zur Immigrationsbehörde. Klären, woher und wohin und warum wir überhaupt her gekommen sind. Dann zum Büro der Marina, den Liegeplatz bezahlen und am Ende im Büro der ARC den Tracker und eine Erklärung zum Rallayverlauf abgeben. In der Zwischenzeit haben Chris und Guido auf dem Schiff schon Dinge wir Müllentsorgung und Laundry erledigt. Erst gegen 12 Uhr können wir endlich frühstücken.

Euch danke ich für die vielen tollen Kommentare. Ihr habt uns damit immer ein stück weit motiviert und auch über tote Punkte hinweg geholfen. Es hat gezeigt, dass Ihr ein Stück weit mit auf dieser Reise dabei seid. 

In den kommenden Tagen wollen wir noch ein wenig karibisches Flair aufsaugen, bevor es am Dienstag nächster Woche wieder zurück ins kalte Deutschland geht. Und dann ist da ja auch noch die Siegerehrung. Wie wir hörten, sind wir bei weitem nicht die einzigen, die den Motor zur Unterstützung haben mitlaufen lassen…

Dieser Beitrag hat 11 Kommentare

  1. Frithjof

    Lieber Thomas,
    lieber Chris,
    lieber Guido,

    Herzlichen Glückwunsch und vielen, vielen Dank für diese sehr spannende Zeit mit Euch in den letzten Wochen !
    Wir haben jeden Tag auf den nächsten Beitrag in Deinem Blog hingefiebert und waren immer aufs Neue begeistert. Für mich als Segelanfänger ist das, was Ihr geleistet habt, eine unvorstellbare Leistung, dank der sehr anschaulichen Beschreibungen waren wir gefühlt „live“ dabei – das war wirklich großartig !
    Jetzt wünschen wir Euch noch ein paar wohl verdiente und entspannte Tage und dann einen guten Heimweg.

    Viele Grüße Anne und Frithjof

  2. Rouven Wetzel

    Hallo Crew,

    eine hammer Story und ganz eine ganz starke Leistung von Euch.
    Der Blog dabei war sehr unterhaltsam und aufregend geschrieben.

    Genießt jetzt das Erreichte und habt noch ein paar schöne Tage.

    Beste Grüße Hilden

    Rouven

  3. µ

    Ich schließe mich 100% an und freue mich mit Euch!
    Schön auch, dass endlich Bandbreite für die Bilder da ist.

    Noch mehr Grüße aus Hilden! 🙂

  4. Antje Paulus

    Hallo lieber Thomas! Ganz herzliche Glückwünsche zur gelungenen Atlantiküberquerung senden wir dir und deiner Crew! Auch deine Petoya Too hat das super hinbekommen. Die „kleinen“ Klassiker sollte man eben nicht unterschätzen! 😉 Wobei natürlich die Mannschaft das Boot befähigt. Ganz lieben Dank auch für deine mitreißenden täglichen Berichte, sie werden uns fehlen. So eine Passage ist anstrengend und herausfordernd. Die Erlebnisse täglich so zuverlässig anschaulich und ausführlich festzuhalten, ist nicht selbstverständlich. Erholt euch, genießt die karibische Atmosphäre und tankt noch ein bisschen Wärme bis zur Rückkehr nach Deutschland und vergiss nicht die Streicheleinheiten für die tapfere Petoya Too! Viele liebe Grüße Antje und Ingo

  5. Ruth

    Hallo Thomas
    Supper das Ihr und Petoya Too gesund und ganz den Traumtrip beendet habt. Tolle Berichte haben
    uns mit Euch verbunden und auch gut beschrieben wie es sich anfühlt.
    Euch , und vor allem Dir , herzlichen Glückwunsch.

    Ruth und Klaus

  6. Ruth

    Hallo Thomas.

    Herzlichen Glückwunsch zum erreichen deines Traumziels und vielen Dank das wir mitlesen durften.

    Ruth und Klaus

  7. Kai Cording

    Hallo Ihr Drei,
    herzlichen Glückwünsch zur Ankunft in der Karibik !
    Tolle, spannende, ereignisreiche Reise … danke für die Teilhabe über den Blog (Thomas) und den inreachlink (Guido).
    Kommt wieder richtig an Land an und genießt die Zeit in der Karibik.
    Schöne Grüße aus Köln Kai
    PS Freue mich auf Eure weiteren Berichte, Blog und natürlich live im Club !!!

  8. Mathias Jakobtorweihen

    Moin ihr Drei,
    Herzlichen Glückwunsch an Mensch und Material! Bitte klopft euch und dem Schiff auf die Schulter.
    Heimlich habe ich hin und wieder die Berichte verfolgt, nur immer so viel, dass ich nicht allzu neidisch werde. Lieber Thomas: Alles richtig gemacht!
    Es freut mich, dass auf den letzen Fotos intakte technische Textilien zu sehen sind.
    Liebe Grüße
    Mathias

  9. Ulrich Westermann

    Glückwunsch, Anerkennung und Hochachtung zu eurer Atlantikquerung.
    Wir waren immer dabei – besonders haben wir euch als Crew bewundert,
    wo immer einer für den anderen da war. Genießt die letzten warmen Tage,
    bevor es dann wieder ins kalte Deutschland zurück geht.
    Thomas – wir sehen uns in Kaarst.
    Elke und Ulli

  10. Hans Dieter Clemens

    Hallo Thomas und Crew, herzlichen Glückwunsch zur Vollendung der Atlantik Überquerung. Wir habe eure Tour mit Spannung verfolgt und möchten uns bedanken für die tollen Berichte.
    Liebe Grüße von Roswitha und Dieter .

  11. -m*sh-

    Wahnsinn!!!! Herzlichen Glückwunsch wir freuen uns sehr, dass ihr es geschafft habt und gut angekommen seid. Ich habe das Blog immer gerne gelesen aber die letzten Tage bin ich nicht dazu gekommen und habe mich nun umso mehr gefreut zu lesen, dass ihr mittlerweile gut und gesund angekommen seid. Man macht sich kaum eine Vorstellung dass es in der heutigen Zeit immer noch eine Herausforderung ist, eine solche Reise zu unternehmen. Ach wie gerne habe ich früher die Bücher gelesen von Seefahrern… und heute lasst ihr uns an einer solchen Reise fast direkt teilnehmen. Vielen Dank dafür. Passt auf Euch auf, bleibt gesund und hoffentlich bis bald.

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