Eine anstrengende Nacht liegt hinter uns. Gegen 2 Uhr beginnt es wieder zu regnen und ich meine damit wieder einmal eine Sintflut, die uns alle Wasserspeicher hätte 3 mal füllen können. Einher damit gehen auch Sturmböen bis Stärke 8. All Hands on Deck, wir müssen die Segelfläche verkleinern. Mir soll nochmal einer damit kommen, dass die „Barfußroute“ ja kein richtiges Segeln ist. Der Wind kommt immer gleichmäßig von hinten und man muss nicht viel tun, außer essen, trinken und schlafen. Ich glaube dieses Vergnügen hatten wir bisher an genau einem Tag.
Auch nach dem Verkleinern der Segel ist die Nacht geprägt von wilden Wellenbewegungen und kräftigen Bootsbewegungen. Im Vorfeld hatte ich mit Nordostpassat gerechnet und war davon ausgegangen, dass die Koje auf der Backbordseite (…in Fahrtrichtung links) die Schlafstätte der Wahl ist. Aber tatsächlich wäre die auf der Steuerbordseite besser gewesen. So hänge ich ständig im sogenannten „Leesegel“ und kaum mehr auf der Matratze. Einzig Guido hat im „Salon“ die richtige Kojenseite gewählt.
So vergeht die Nacht, wie so viele davor auch schon, mit erheblichem Schlafmangel. Dazu passt dann heute noch Dauerregen. Alles ist grau in grau. Das schlägt auf die Stimmung. Guido stellt mir die Frage, wieviel Diesel wir im Tank haben. Der wird bei weitem nicht reichen, die restliche Strecke unter Motor zurück zu legen. Als ich ihm sage, dass unter der Koje von Chris noch ein Ersatztank ist, den ich noch nie benutzt habe, ist er – zu Recht – sauer auf mich. Ich ärgere mich mittlerweile auch, dass ich den Tank nicht gefüllt habe. Er hätte ein gutes Backup dargestellt für ebensolche Fälle wie jetzt. Eines der Probleme, die wir in den kommenden Tagen haben werden ist, dass zunächst der Wind auf West drehen wird und dann immer schwächer wird. Ein Flautengebiet wabert dann tagelang vor St. Lucia herum. Da wird an Segeln kaum zu denken sein. Wohl dem, der genug Diesel an Bord hat. Aber es ist nun nicht mehr zu ändern, auch da müssen wir irgendwie durch. Vermutlich werden wir nach unserer Ankunft gar nicht mehr- wie erhofft – ein paar Spots in der Karibik sehen sondern müssen uns flux auf den Weg nach Martinique machen um unsere Heimflüge nicht zu verpassen. Ich bekomme ein flaues Gefühl im Magen angesichts der Strecke, die noch vor uns liegt.
Am Nachmittag begegnen wir – wieder einmal – unserem Schwesterschiff „Mahea“. Sie kreuzen in einer Entfernung von 100m unseren Kurs und wir winken kräftig. Es ist seit Tagen die erste Begegnung mit einem anderen Schiff. Alex – der Skipper – ist ein ganz lustiger Typ. Hat immer Scherze parat und muntert uns ein wenig auf. Wir schauen ihm noch eine Weile nach bis er am Horizont verschwindet. Jetzt sind wir also wieder alleine auf weitem Ozean.
Wieder und wieder frischt der Wind auf und kommt in stürmischen Böen daher. Wir binden – zum ersten mal überhaupt auf diesem Schiff – das dritte Reff ins Großsegel und verkleinern die Genua auf Handtuchgröße. Damit machen wir immer noch fast 6 kn Fahrt. Dann bricht die Hölle über uns ein. Zum stürmischen Wind kommt ein Regenguss, der so stark ist, dass er die Wellen plattdrückt. Das sieht total verrückt aus. Guido und Chris sind trotz Segelanzug klitsch nass und schauen wenig amüsiert aus. Derweil mache ich die Kombüse sauber. Hier hatte Chris eben noch aus Trockeneipulver und getrockneten Pilzen Rührei gezaubert, das wir mit Vollkornbrot verzehren.
Es geht in die nächste Nacht, die in der ich diese Zeilen hier schreibe. Davon will ich gerne auch noch kurz berichten. Chris hat Wache und der Wind ist so indifferent, dass er aus und ein refft, im steten Wechsel. Guido hat ihn dabei tatkräftig unterstützt. Als ich dann um Mitternacht zu meiner Wache aufstehe, sitzt Guido in seiner Koje und sinniert. Als ich auf den „Track“ der vergangenen Stunde blicke, verstehe ich auch warum er so nachdenklich ist. Die Beiden sind mehrere Wenden gefahren und dabei dann, nicht wie üblich nach einer Wende 90 bis 100° zum vorherigen Kurs, sondern 180°. Das bedeutet, dass wir mehrfach an einem Ort vorbeigekommen sind, an dem wir Minuten vorher schon waren. Außerdem weicht die mit GPS gemessene Geschwindigkeit um ca. 1 bis 1,5kn von der so genannten „Logge“ ab. Es scheint ziemlich klar zu sein, dass wir einen kräftigen Strom gegen uns laufen haben. Ich vermute dahinter einen „Eddy“. Ein Stromwirbel, wie es sie im Atlantik ganz häufig gibt. Dann ist da noch ein furchteinflößendes Wetterleuchten/Gewitter in der Richtung zu sehen, wo der Wind herkommt. Alles zusammen eine Gemengelage, die wir so gar nicht gebrauchen können.
Solch eine Reise hat sehr viele Facetten. Leider auch welche, die uns aufs Gemüt schlagen. Aber – und das ist absolut positiv zu bewerten – wir zeigen uns ein ums andere Mal als Team, halten zusammen und werden die Herausforderungen meistern, da bin ich sicher.
Haltet die Ohren steif. Laut yb-Tracker sind es noch 680 Meilen, Ihr werdet auch das Stück noch gut meistern!
Kopf hoch, Augen zu und durch! Man leidet mit!