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Mit einem weinenden Auge verlassen wir Madeira

Vereinbarungsgemäß stellen wir den Leihwagen ab, ohne ihn zu verschließen und legen den Schlüssel ins Handschuhfach. Keine Übergabe wie gewohnt. Ich habe im Hinterkopf immer diese horrende Kaution. Um kurz vor 10 legen wir nach einem ordentlichen Frühstück ab. Franzi steht am Steuer und macht ihre Sache sehr gut. Vor der Hafeneinfahrt werden die Segel gesetzt und der Motor erstirbt. Das Großsegel ist einmal gerefft und die Genua komplett ausgerollt. Kurs 145° bis wir an der Südspitze der Islas Desertas sind und dann gibt es kein Hindernis mehr bis zur Südspitze von Lanzarote. Der Wind soll in den beiden Tagen und Nächten der Überfahrt relativ konstant aus Nord-Ost, später aus Nord mit etwa 4 Bft. wehen.

Leider zieht es sich zu und ein paar Tropfen Regen fallen, was den SonnenanbeterInnen an Bord nicht so gut gefällt. Die ´Desertas´ sind unbewohnt und sehen aus, als sei die Lava gerade erst erstarrt und ein wenig mit Staub bedeckt. In der Abdeckung der Insel muss der Motor auch für eine Weile aushelfen. Danach gehen wir einer unserer Lieblingsbeschäftigungen an Bord nach, dem intensiven Ausruhen, um Kräfte zu sammeln für die langen Nachtwachen. 280 Seemeilen liegen vor uns und die lassen sich bei dem vorherrschenden Wind gut aussegeln. Die Geschwindigkeit liegt konstant über 6kn, das heißt, dass wir am Freitag in den frühen Morgenstunden ankommen werden.

Sonnenuntergang mit Passatwolken

Am Abend wird wieder gekocht, es gibt Käsespätzle ohne Spätzle aber mit den Resten an Nudelpackungen, die noch offen waren. Und dann startet auch schon die erste Nachtwache. Franzi hat es da noch relativ easy, weil in ihre Wache das Dinner fällt und die Sonne im Meer versinkt – so wie bei Capri… Der Tag geht ohne besondere Ereignisse dahin. Keine Tiere, keine anderen Boote. Wir haben das Gefühl alleine auf der Welt zu sein. Unser Kurs scheint keiner Schifffahrtslinie anzugehören. Erst mitten in der Nacht kommt uns ein Containerschiff in die Quere. Und dann ist es so, dass wir gleich auf Kollisionskurs liegen. Wir sollten es nicht darauf ankommen lassen, GFK (…das Material aus dem unser Boot gebaut wurde) verliert gegen Stahl. Der Funker an Bord des Frachters ruft uns an und sagt, dass wir Kurs und Geschwindigkeit beibehalten sollen, sie würden hinter uns durchgehen und ihren Kurs dafür leicht ändern.

Später, als Franzi wieder Wache hat, kommen beidseits von Petoya Too 2 Schnellboote – ohne AIS oder andere Erkennungsmerkmale bis auf ein Blinklicht – an uns vorbeigeschossen. Das war ein wenig spooky. Wir malen uns aus, was das für Gefährten gewesen sein könnten. Es gibt verschiedene Varianten. Die Piraterie hat sich von der Küste Somalias an die Westküste Afrikas verlagert. Wir waren vielleicht kein lohnendes Opfer haben aber dennoch das AIS und unsere Positionsleuchte ausgeschaltet. Die zweite Variante könnten Schlepper sein. Auch hier gibt es – wie im Mittelmeer – Flüchtlingsströme von der Küste zu den Kanaren. Aber ich bezweifle, dass die in solch schnellen Booten unterwegs sind. Und die dritte Möglichkeit – die wahrscheinlichste – dass es eine Militärpatrouille war. Später am nächsten Tag begegnen wir einer Fregatte, die auf dem AIS ebenfalls nicht erkennbar ist.

Auch der Donnerstag verläuft unspektakulär. Trägheit bzw. Müdigkeit bestimmen unser Handeln. Gefrühstückt wird gemeinsam im Cockpit, dann muss von dem Einen oder der Anderen Schlaf nachgeholt werden. Am Nachmittag gibt es ein paar ´Programmpunkte´. Lars und ich basteln fleißig weitere Tauwerkschäkel und später hole ich – zum ersten Mal auf dieser Tour – die Angel aus der Backskiste. Wir suchen nach einem Köder, von dem wir uns vorstellen könnten, da hineinzubeißen, wenn wir ein Fisch wären und befestigen ihn an der Leine. Aber Stunden später holen wir das Geschirr wieder rein, dass wir in Vorfreude auf frisches Sushi schon platziert hatten. Wir haben die Rechnung ohne den Fisch gemacht, der scheinbar anders tickt als wir.

Dieser Frachter aus Deutschland hielt lange Zeit Kurs auf uns. Nachdem der Kapitän beim 4. Versuch endlich ans Funkgerät geht, wird uns versichert, dass wir save sind und er vor uns durch geht...
Wir haben am Ende beide unsere Kurse etwas verändert und der Abstand beträgt nun ca. 600m.
Alltag an Bord - Ausruhen, nach langen und anstrengenden Wachen
Der erste Versuch scheitert kläglich, der Angelhaken hat sich sofort mit der Leine vertörnt

Die Meilen purzeln nur so herunter. An der Segelstellung haben wir seit dem Start nichts verändert und die Windfahne arbeitet sehr zuverlässig ihr Programm ab. So geht es in die zweite Nacht. Als ich um 1 Uhr meine Wache antrete, sind es nur noch 40sm bis zum Ziel ´Rubicon-Marina´ auf Lanzarote. Allerdings nimmt der Wind jetzt etwas zu und wir haben zu viel Segelfläche. Ich sehe mir das Schauspiel noch eine ganze Weile an, aktiviere dann aber doch Lars, der ans Steuer muss, während ich vorne am Mast das Großsegel bändige. Die Aktion geht nicht ohne Salzwasserdusche über die Bühne aber bei 5 bis 6 Bft. kann dann auch auf einer Hallberg Rassy mal ein zweites Reff ins Groß und eins ins Vorsegel eingebunden werden. Jetzt liegt die Yacht viel ruhiger im sehr bewegten Ozean. Nur noch 25sm bis zum Ziel. Doch es kommt noch viel dicker. Kräftige Regenschauer gehen nieder, der Wind frischt auf 6 bis 7 Bft. auf. Die Wellen erreichen eine Höhe, wie wir sie auf der gesamten Reise noch nicht hatten. Petoya wird unbarmherzig hin und her geworfen. Es fühlt sich an wie in einer Quietschente zu sitzen, die im Wellenbad hilflos ihre Bahnen zieht. Die Sicht geht gegen null, ich habe das Steuern übernommen und versuche uns bei den schräg von hinten anrollenden Brechern auf Kurs zu halten. Wir müssen weg von der Insel. Der Atlantik steigt hier – wie in der Biskaya – von 5000m auf nur noch 50m steil an und ich befürchte, dass sich die Wellen brechen werden, wenn wir noch näher ans Ufer fahren. Also starten wir die Maschine, bergen das Vorsegel und versuchen wieder etwas weiter aufs offene Meer zu kommen. Eine Stunde weiter – es ist jetzt 7 Uhr Ortszeit und ich bin seit mehr als 6 Stunden an Deck – beruhigt sich das Wetter wieder etwas und wir können die letzten 8sm doch noch segeln. Als wir den Leuchtturm an der Südwestecke der Insel Lanzarote passieren, wird es plötzlich ganz ruhig und der Hafen ist in Sicht. Es ist geschafft. Dieses letzte Stück hat uns nochmal alles abverlangt und wir legen völlig erschöpft am Meldesteiger der Marina Rubicon an. Da die Rezeption erst um 9 öffnet, legen wir uns hin, nass wie wir sind und schlafen sofort ein.

 

Marina Rubicon auf Lanzarote
Meldesteiger - unter Deck ist alles klamm aber die Crew liegt in komatösem Schlaf

Wir kommen wenig später schon auf den Liegeplatz, den ich eigentlich erst ab dem 1.10. reserviert habe. Dort liegt Petoya Too jetzt für mehr als einen Monat. Erst am 04.11. werden die Leinen wieder los geworfen. Dann wird es in 3 Etappen nach Las Palmas auf Gran Canaria gehen. 

Wir versuchen so gut es geht zu entspannen heute, schauen uns die Umgebung an, gehen in der sehr großen Marina flanieren. Es gibt viele Geschäfte und Restaurants und dann gibt es – zum wiederholten Male – Pfannkuchen.

In den nächsten Wochen werde ich neben der Erkundung der Insel einige Arbeiten am Schiff erledigen müssen. Ich habe auch vor es für ein paar Tage aus dem Wasser zu holen und neues Antifouling aufzutragen und die Außenhaut endlich zu reparieren. Ich werde sporadisch auch weitere Blogeinträge machen. 

Also schaut gerne zwischendurch hier vorbei…

Dieser Beitrag hat 8 Kommentare

  1. Jutta

    Schön, dass soweit alles geklappt hat und ihr Lanzarote erreicht habt. Zwischendurch habe ich immer mal wieder gedacht: „Warum tut er sich das an?“ Aber ich glaube, trotz aller Strapazen sind es so bereichernde Erlebnisse, die man nie vergisst!
    Genieße jetzt eine ruhige Zeit auf Lanzarote und halte uns auf dem Laufenden.
    Liebe Grüße aus dem naßkalten Mettmann…..

  2. Karl-Peter Lux

    Hallo Thomas,
    netter Bericht.
    Was musst du an der Aussenhaut reparieren?
    Grüße
    Kpelke

  3. Karl-Heinz

    Herzliche Glückwünsche zum erfolgreich absolvierten, ersten großen Reiseabschnitt. Wie du das Segeln beschreibst, habe ich das Gefühl, ein bisschen dabei zu sein. Das ist schön, danke dafür. Auf der anderen Seite kommt dabei keine Wehmut auf, dass ich nicht wirklich dabei bin. Bist schon ein harter Knochen. Erhole dich gut!

  4. Lilo

    Hallo Thomas
    Es ist wirklich unglaublich , was Du / Ihr da alles erlebt. Ich denke , auch Du wirst bei diesem Wind und Wellengang ordentlich heraus gefordert. Ich verfolge Deine Beschreibungen und Bilder immer mit Spannung. Jetzt geniesse erst mal die schöne Insel Lanzarote. Vielleicht kannst Du den ein oder anderen Ort mal besuchen, von dem ich Dir Bilder geschickt habe.
    Pass auf Dich auf. Lilo

  5. Gaby Klasen

    Vor allem auf Fotos und Berichte von den Wanderungen freue ich mich. Viel Freude an der schönen Insel 😎

  6. Marianne

    Ist ja wohl doch ein tolles Erlebnis, dieser anstrengende Toern, Thomas. Und so ganz anders, als ich mir meine Reise zu Dir und Deinem Schiff in die Karibik vorgestellt hätte.
    Liebe Grüße Mutti

  7. Axel W.

    Da haben wir vor genau 2 Monaten noch gemeinsam Ihren Austieg ins Segelabenteuer gefeiert und nun sind Sie schon mittendrin. Ich werde gerne weiterhin Ihre spannenden Berichte lesen.

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