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Dienstag, 23.05.2023 Petoya Too ist seit 24 Stunden auf dem Weg

Nun geht es für die Crew der Petoya Too auf den langen Schlag zu den Azoren. Das ist nicht meine favorisierte Strecke. Die Winde sind eher unbestimmt und zwar sowohl was die Richtung als auch die Stärke betrifft. Das heißt übersetzt, dass es von Flaute bis Sturm und von Gegenwind bis Schiebewind alle Varianten geben kann. Dazu kommen mögliche kräftige Regenschauer, die gar nicht mehr so warm sind, wie in der Karibik und on Top gibt es auch noch variierende Meeresströmungen. Der Golfstrom ist dafür maßgeblich verantwortlich. Er bewegt sich wie ein riesiger Fluss durch den atlantischen Ozean. Das veranschaulicht die „Windy-APP“ sehr gut. 

Im Bild erkennt man die hellblau gefärbte Wellenlinie. Hier bewegt sich der Golfstrom mit Geschwindigkeiten von mehr als 2 Knoten durch den Atlantik. Dabei fließt er eben nicht auf direktem Weg in Richtung Nordosten sondern er mäandriert. Das sieht von oben aus wie ein Foto vom Rhein bei Düsseldorf.

Das kann man sich zu nutze machen, wenn man an der richtigen Stelle im Atlantik unterwegs ist. Aber manchmal läuft es anders und man hat die Strömung gegen sich. Es ist am Ende ein Vabanquespiel. Richtig gut planen lässt sich die Etappe zu den Azoren nicht. Zumal sich herausstellt, dass das berühmte Azorenhoch überhaupt nicht an seinem angestammten Ort ist. Stattdessen befindet sich genau über dieser Inselgruppe ein Tiefdruckgebiet, dass keine Anstalten unternimmt, seinem Widersacher Platz zu machen. Von Bord erhalte ich folgende Nachrichten:

Mittwoch, 24.05.2023

´Hi all well here sailing under genoa only wind 25kn gust 30kn occasionally. Boat fine. Weather grey, alot of Rain.´

Donnerstag, 25.05.2023

´Hi Thomas, we are slowly coming out of the very strong winds. We had last night up to 40kn (Windstärke 9). Now high 20´s. Boat fine dealt well with these conditions. All well.´

Nach wenigen Tagen steht Petoya Too mehr als 400sm Nordöstlich von Bermuda und hat schon ordentlich etwas auf die Mütze bekommen.

Ich versuche der Crew so gut wie möglich die Wettersituation zu übermitteln und zu überlegen, welches der Beste Kurs sein könnte. Doch dann kommt von Paul eine Hiobsbotschaft:

Freitag, 26.05.2023

Hi Thomas, Paul here.
 
What a busy day we have all had! Unfortunately the engine stopped working this morning when we were charging the batteries. On investigation we found the two filters to be full of contaminated fuel. We decided that it would be better not to use any more of the fuel from the main tank. We think it would probably just block the filters and stopped the engine again. To avoid using the main tank we have rigged an emergency fuel tank using a jerry can we bought in Bermuda. This way we will only be using clean fuel from the jerry cans and we will also find a way to get fuel out of the port side under bench tank. This will cut down the number of engine hours we have available.
 
This all happened when we were about 550nms from Bermuda and 1450 from the Azores. We did discuss returning to Bermuda but all agreed  that it would be possible to get to the Azores. So, we are still on our way to the Azores
 
With this shortage of fuel I think weather routing advice very important. Ian can get 5 days of GRIBS for a limited area. It would be very useful for us to see the bigger picture: we do not know where the Azores High is, is it going north or south, how far north should we go to get past it? Would it be possible for you to send us some waypoint suggestions?
 
You will be pleased to hear we are all still quite happy and enjoying the voyage. Three days of the storm tedious but the wind is now in the southwest and we are doing over 6 knots with all plain sail.
 
We are definitely going to have to make a brief stop in Horta for gas. The first bottle ran out two days out of San Juan and the second bottle, the one with no seal, ran out two days out of Bermuda. Unfortunately we were not able to buy a new one in Bermuda, they do not sell Camping Gaz there so we are on the last bottle with no spare. This bottle was sealed so hopefully, with careful use, it will get us to Horta
 
Hope all is good with you
 
Paul
Ich bin zuerst geschockt. Zumal die drei Schotten auf Bermuda alles daran gesetzt haben, den Tank zu reinigen und frischen Diesel zu tanken. Ich war überzeugt, dass sie den Tank wirklich gut gesäubert haben und es gibt nur wenige Erklärungen für die jetzige Problematik an Bord. Eine davon ist, dass der superteure Diesel auf Bermuda kontaminiert war mit dem Dieselbakterium und die zweite ist, dass Paul schlicht zu wenig oder gar kein Additiv mit eingefüllt hat. An Bord habe ich ein – mittlerweile in Europa verbotenes – Biozid, das dem Diesel zugesetzt wird um die Bakterienbildung zu verhindern oder sie zumindest einschränken soll. Ich schreibe Paul sofort eine E-Mail, dass er dem Tank eine Schocktherapie geben soll. 
Das zweite Problem ist das an Bord befindliche Gas, das zum Kochen und Backen verwendet wird. Ich hatte auf St. Martin noch eine leere Gasflasche gegen eine vermeintlich volle getauscht. Allerdings hatte ich mich damals ein wenig gewundert, dass an der getauschten Flasche kein Plastiksigel vorhanden war. Der Verkäufer hat mir aber glaubhaft versichert, dass die Flasche voll sei. Paul und seine Crew sind also mit zwei vollen und einer in Gebrauch befindlichen Flasche losgefahren. Nach zwei Tagen war die Flasche, mit der ich in St. Kitts begonnen und die insgesamt 6 Wochen mit verschiedenen Crews überdauert hat, leer. Das war durchaus zu erwarten. Als nächstes hat Paul dann genau die Flasche angeschlossen, die kein Sigel hatte und die war dann zwei Tage nach dem Start auf den Bermudas ebenfalls leer. Die Flasche, die jetzt angeschlossen ist, hat wieder ein Sigel gehabt. Und wenn sie nur halb so lange hält, wie die erst genannte, dann muss das Gas locker ausreichen. Aber dennoch bleibt ein fader Beigeschmack. 
Ich hoffe, dass die restliche Tour zu den Azoren nun frei bleibt von weiteren kleinen Katastrophen.
Der heutige Stand der Dinge. Petoya Too befindet sich mitten auf dem Atlantik und ist noch etwa 900sm von der westlichsten Azoreninsel Flores entfernt. Damit hat die Crew um Paul, Ian und David schon fast die Hälfte der Strecke geschafft. Zum Zielort Ponta Delgada sind es noch ca. 1250sm.

Es bleibt weiterhin sehr schwierig, einen vernünftigen Kurs für Petoya Too zu finden. Wer sich selbst ein Bild davon machen möchte, wie sich der Wind in den kommenden Tagen entwickeln wird, schaue doch bitte einmal auf die App „Windy“. Die Position der Yacht kann dem obigen Foto entnommen werden…

Der weiße Punkt unter der Windanzeige markiert in etwa die jetzige Positopn von Petoya Too

Ein Effekt von all dem, was dort gerade auf dem Atlantik passiert ist, dass ich mir natürlich Sorgen mache und genauso mit fiebere, wie ihr alle. Nur mit dem Unterschied, dass ich eine große Verantwortung spüre und nicht, wie ursprünglich erhofft, mal gedanklich vollkommen abschalten kann von allem, was mit dem Schiff zu tun hat. Ich habe gemerkt, dass mich die Tour ziemlich ausgemergelt hat. Ich versuche trotzdem jetzt wieder Kräfte zu sammeln und das bekomme ich auch sehr gut hin. 

Bitte drückt mit mir die Daumen, dass die schottische Crew und das Schiff wohlbehalten auf den Azoren ankommen werden. 

Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. Hans Dieter Clemens

    Hallo Thomas, ich kann mir gut vorstellen, dass du im Geiste bei der Crew und dem Boot bist. Wir sind beide gedanklich auch auf der Tour mit den 3 Schotten.
    Interessant sind deine Karten für Wetter und Strömungen.
    Deiner Crew drücken wir alle Daumen, dass hoffentlich keine größeren Überraschungen mehr auf sie zukommen. Wie sagt der Rheinländer: et is noch immer jut jejange.
    Liebe Grüße aus Brandenburg und Danke für die Berichte.

  2. Axel W.

    Hallo Herr Clemens,
    man fiebert ja richtig mit. Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie es Ihnen gerade geht. Man ist halt doch immer in Gedanken mit dabei. Aber Sie scheinen da ja einer guten Crew ihr Schiff anvertraut zu haben. Die verzweifeln nicht, sondern suchen bei Problemen nach Lösungen – die wuppen das Ding schon. Schalten Sie ab und erholen Sie sich für Ihre nächste Etappe! Das Schiff wird schon sicher und heil ankommen!

  3. Karl-Heinz

    Lieber Thomas,
    das ist alles sehr Respekt einflössend. Aber dein Schiff ist super und die Jungs offensichtlich sehr tough. Wird also schon gutgehen. Ich drücke sehr die Daumen. Und nächstes Jahr planschen wir dann zusammen im Ijsselmeer… Oder?
    Liebe Grüße Karl-Heinz

  4. Barbara und j Peter

    Hallo Thomas, wir sind eigentlich keine Krimi-Fans, aber dieser gefällt uns irgendwie weil wir das sichere Gefühl haben, daß die Schotten die Dinge im Griff halten. Das sieht man ja an der Lösung mit dem Kannister. Da machen wir uns keine Sorgen. Solltest Du Dir ebenfalls nicht machen, auch wenn es schwerfällt. Mitfiebern natürlich ja. Du vertraust doch den Jungs, dann kannst Du Dich ruhig ein wenig aus der Anspannung lösen, der Crew die gewüschten Daten liefern und Dich jetzt schon auf das Wiedersehen freuen.

  5. Christopher

    Hallo Thomas, ich drücke die Daumen das Gas und Diesel reichen! Eine Schockdosis Grotamar war ein guter Hinweis. Ggf. Kamm man dann den Diesel aus dem Tank mit Hausmitteln filtern und verwenden. Ich vermute, das der Diesel in Bermuda Wasser und Bakterien hatte. Das Wasser setzt sich dann unten im Tank ab ein Paradis für die Pest!

  6. Gaby Klasen

    Ich drücke auch alle Daumen. Interessant, welche Probleme auf dieser Strecke auftauchen. Wünsche den Jungs, dass sie eine gute Route finden und das der Motor wieder läuft. Und dir, dass du bis Jobbeginn noch viel Entspannung findest.

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