• Beitrags-Kategorie:ARC / Segeletappen

Halfway, das bedeutet dass wir jetzt 1475sm hinter uns aber genauso viel auch noch vor uns haben. In der Rangliste wird hochgerechnet, dass wir erst am 11.12. in St. Lucia sein werden. Diese Hochrechnung beruht auf der Durchschnittsgeschwindigkeit, die sich für den kürzesten Weg ergeben würde. Die beträgt nur ca 5,4kn. Tatsächlich liegt unser Tempo aber bei mehr als 6,3kn bezogen auf die Strecke, die wir in Wahrheit gefahren sind. Da wir nunmehr den direkteren Weg beschreiten können, sollte – abgesehen von den flaueren Winden, die wir in den kommenden Tagen erwarten – die Ankunft zwischen dem 9. und 10.12. liegen. Wir sind gespannt.

Die Nächte sind weiterhin eine Tortour. Ich befürchte, dass die Crew mich bald auf Schmerzensgeld – wegen Schlafentzug – verklagen wird. Habe ja schon hinlänglich beschrieben, wie man sich des Nachts in den Kojen verkeilen muss, um überhaupt eine Schlafposition zu finden.

Jetzt ist ein neuer Tag angebrochen und das Wetter zeigt sich von seiner sonnigen Seite, nachdem wir erste kräftige Regenschauer erlebt haben, die auch immer eine Schippe mehr Wind im Gepäck haben. Das Meer ist völlig aufgewühlt. In der hohen Dünung bilden sich weitere Wellensysteme aus. Das sieht furchtbar ungeordnet aus und es fühlt sich auch genauso an. Wir müssen wieder eine Kurskorrektur vornehmen, fahren eine „Halse“ und „Schiften“ das Vorsegel (Übersetzung: Das was an segeln vorher links war kommt nach rechts und umgekehrt). Beide Segel sind 2-Fach gerefft (verkleinert), so passt die Fläche besser zu dem Wind, der dauerhaft bei 5-6 Bft aus östlicher Richtung pustet. Die Kräfte, die auf Mast und Verstagung wirken, sind enorm und da wir uns vorgenommen haben, in erster Linie heil in Saint Lucia anzukommen, wollen wir nicht das letzte aus der alten Dame Petoya Too heraus kitzeln.

Jetzt ist uns auch der zweite teure Angelhaken flöten gegangen. Ob es Materialermüdung oder ein kräftiger Biss einees zu großen Fisches war, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Chris bastelt nun aus dem mitgeführten Sammelsurium von Haken und wabbeligen Gummifischen einen neuen, sehr schmackhaft aussehenden Köder und bringt ihn aus. Und was soll ich sagen, just als wir das oben beschriebene Manöver fahren (…das mit dem Segel von einer auf die andere Seite…) surrt die Angelschnur nach hinten aus. Wir kümmern uns prioritär um den 2. Fisch. Der soll nun wirklich den Weg an Bord und in die Pfanne schaffen. Er ist deutlich größer, als der erste und wehrt sich nach Kräften. Wir sind alle drei gut beschäftigt, ihn ins Boot zu hieven. Ich an der Kurbel, Guido versucht mit dem Fischhaken die Schnur zu fangen, Chris sitzt noch am Steuer und sucht Handschuhe und Gummischwengel (für den Knockout des Fisches). Dann ist sie endlich an Bord, die 2. wunderschöne Goldmakrele. Sie ist das Geschenk des Meeres an uns für die heutige „Halfway-Party“. Hab ich Euch schon davon vorgeschwärmt, wie lecker so ein fangfrischer Fisch ist? Guido brät ihn in der Pfann. Es braucht nicht viel mehr, als ein paar Kartoffeln dazu. Wir haben uns in Las Palmas noch mit zwei leckeren Mojo-Saucen versorgt – als Dipp für die Patatas. Und dann dieser Gaumenschmaus von zartem, saftigen Fisch, der auf der Zunge zergeht… Na, wie klingt das?

Die nächste Nacht bricht über uns ein. Wieder kommen ein paar Schauer über uns, die das Schiff von der dicken Salzkruste befreien. Aber dahinter klart es auf und der Mond, der jetzt schon mehr als nur eine Sichel ist begleitet uns von nun an durch die Nächte. Er lässt das Wasser vor uns in einem dunklen Silber erleuchten, nimmt aber den Sternen jetzt eine Menge Licht weg. Nur noch die gängigen Sternbilder – wie „Oriom“ oder „Cassiopaia“ sind erkennbar. Wind und Wellen beruhigen sich allmählich etwas und die Bewegungen im Boot werden langsam erträglicher.

Ich habe keine Ahnung, wie das Wetter in Deutschland jetzt ist. Aber hier gibt es nachts muckelige 24° und tagsüber etwa 28 bis 30°. Das lässt sich von dieser Warte gerade eben aushalten 😄 Schließt einfach die Augen und stellt Euch vor es ist schön warm. Ist nicht ganz fair, ich weiß. Dafür habt Ihr den unbeschreiblichen Vorteil, das Ihr Euch zu Hause des Nachts in eine Decke hüllen könnt – dafür ist es hier jetzt zu warm – und Euer Bett sich nicht die ganze Zeit bewegt. Es ist die Frage der Abwägung, was besser ist…

Übrigens freue ich mich riesig über die vielen netten Kommentare, die Ihr auf meinem Blog hinterlasst. Torsten macht sich die Mühe und lässt sie mir alle zukommen. Also gerne weiter fleißig kommentieren. Das Feedback zeigt mir, dass Ihr mit auf dieser Reise seid und Euch freut und fiebert. Danke dafür, das kommt an!


Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. µ

    Ich brauche gar nicht die Augen zu schließen, gefühlt bin ich ohnehin die ganze Zeit bei Euch.
    Nach der Schilderung des Wellenbildes zwar mit etwas flauem Magen, aber dafür mit reichlich Appetit auf Fisch. 😉

  2. Barbara/Peter

    Glückwunsch auch von uns. Man hat immer das Gefühl, man ist mit an Bord. Sind knapp an der Seekrankheit vorbei. Dem Ouzo sei dank. Weiterhin Petri heil (ich weiß, was es heißt, keine Fische zu fangen). Ihr seid schon eine tolle Crew. Und ihr müßt garnicht nach Seattle, um schlaflos zu sein.
    Bis bald.

  3. Nicole D.

    Herzlichen Glückwunsch auch von mir!
    Ich fiebere jeden Tag mit euch mit und freue mich auf jeden neuen Bericht!
    Und auch ich habe das Gefühl quasi mit dabei zu sein, dank deiner tollen Schilderungen. Für den unruhigen Schlaf und Schlafmangel sorgen bei mir dafür die Kids.
    Für die zweite Hälfte weiterhin alles Gute! LG Nicole

  4. Entweder... Oder

    Daumen hoch auch von mir, ist schon Wahnsinn, was ihr da leistet!
    Der erste Katamaran kommt gleich schon auf St.Lucia an… man könnte auch sagen: die haben einfach nicht genug Ausdauer…
    Ansonsten ist ja in der Mitte des Atlantiks bekanntlich Meerjungfrauengebiet… obacht Jungs, hier gilt es die altbekannte Regel zu beachten: Nur gucken – nicht anfassen!
    Vielleicht haben sich die Unterwassermädels eure Köder als Piercings geholt?
    Ich wünsch‘ euch ruhigere Nächte und viele Goldmakrelen!

  5. Mike H

    Congratulations on making it half way! Best of luck in the coming days. Fair winds and following seas!

  6. Lilo

    Auch von mir einen Glückwunsch zur Halbzeit auf See. Und dass der Fisch euch bei der Party unterstützt ist doch nett , oder ? Ich lese jeden Eintrag mit Spannung und finde es wirklich toll, was du mit Crew da zuwege bringst . Ich drücke euch ständig die Daumen für eine gute Fahrt. Liebe Grüße aus der Kälte. Lilo

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