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Cameron (Cam) kommt um Mitternacht am Hafen an und er macht sofort einen sehr sympathischen Eindruck. Zwar hat er eine Variation der englischen Sprache, die mir noch nicht sehr geläufig ist aber ich denke, dass ich mich mit der Zeit hineinhören werde. Ich weise ihm die Backbordkoje im Salon zu und weil wir alle müde sind und es morgen schon losgehen soll, verschwinden wir umgehend in den Betten.

Cam lebt und arbeitet zurzeit auf mittleren bis größeren Yachten und möchte unbedingt in diesem Metier bleiben. Dafür benötigt er viel Erfahrung und macht sich auf den Weg, diese zu sammeln. So ist er schließlich auf Petoya Too gelandet. Zwar hat er – anders als ich es verstanden habe – noch keine Erfahrung auf hoher See vorzuweisen und auch seine Segelkenntnisse sind eher rudimentär. Aber er vermittelt mir von Anfang an das Gefühl, dass er wissbegierig und lernwillig ist. Ich habe ein gutes Gefühl dabei. Vor allem ist gut, einen kräftigen Kerl dabei zu haben, der bei den Arbeiten an Deck mitarbeiten kann und der offenkundig viel Energie hat.

Donnerstag, 22.06.2023

Um 7 klingelt der Wecker, obwohl er das für mich nicht tun müsste. Müde bin ich allemal noch aber das war zu erwarten. Frühstück Wetterdaten einholen, Ian kommt kurz vorbei und wir schauen uns auf seinem Routingprogramm die bestmögliche Variante an, dann noch ein Foto der Crew vor dem Gemälde auf der Pier. Der letzte Akt ist, die Zutrittskarte in einen Kasten zu werfen und dann heißt es Motor an und Leinen los. Der Jockel spring nicht gut an und ich denke, dass das nach einer Woche Standzeit auch ok ist. Als er jedoch gestartet ist, gibt er Geräusche von sich, die ich in der Variante noch nicht von ihm kenne. Wenn ich einen Gang einlege, macht er ein lautes Klopfgeräusch. Das macht mich stutzig aber jetzt geht es trotzdem erstmal rüber zum Tanken. Dafür müssen wir in den zweiten Yachthafen, der eine Meile weiter östlich liegt. Und nun müssen wir uns in Geduld üben.

Zunächst liegt ein großes Rib (Motorboot mit 4 200 PS Motoren) an der Tankstelle. Die brauchen dort eine Stunde. Ich erkundige mich nach einem Mechaniker von Volvo und verständige meinen Bruder, schicke ihm Videos und erkläre ihm die Situation. Eine Ferndiagnose ist natürlich schwierig aber er kennt den Motor besser als jeder zweite, schließlich hatte er ihn damals komplett auseinandergenommen und mir in den Jahren immer wieder geholfen, wenn es um das gute alte Stück ging. Er macht mir keine Hoffnung darauf, dass es eine Kleinigkeit ist. Vermutlich muss der Motor komplett zerlegt werden und mit neuen Teilen wieder auf Vordermann gebracht werden. Auch der Volvomechaniker – ein wirklich netter Kerl – trötet in das Horn meines Bruders.

Wir hocken auf dem Boot und überlegen, was zu tun ist. Natürlich ist es ein hohes Risiko, mit einem Motor zu starten, der nicht mehr mein volles Vertrauen besitzt. Aber welche Optionen habe ich denn? Hier einen Monteur zu finden, der sich an dieses alte Schätzchen herantraut bedeutet, dass ich vermutlich noch Wochen, wenn nicht Monate warten muss, bevor Petoya wieder startklar wäre. Es würde meinen Zeitrahmen sprengen. Andrea würde die Reise weiterhin machen wollen, auch ohne den voll funktionstüchtigen Motor.  Cam ist ein Abenteurer, der sich riesig auf den Trip gefreut hat. Es ist und bleibt in der Hauptsache ein Segelboot und es segelt immer noch ziemlich gut für das fortgeschrittene Alter. Was, wenn wir unterwegs keinen Strom mehr haben und damit keine Navigationsinstrumente und keine Kommunikation? Das wäre ein NoGo für mich. Wir überlegen, einen Generator zu kaufen. Das halte ich für eine ganz gute Idee. So können wir uns zumindest verständlich machen.

Gesagt, getan. Andrea und Cam fahren zum Baumarkt und ergattern einen günstigen Stromerzeuger, dazu noch 2-Takt-Öl. Dann gehe ich mit Cam zusammen zur Tankstelle und wir füllen in die beiden noch leeren Kanister, die Paul besorgt hatte, noch Normalbenzin, nicht ohne sie vorher von Dieselresten zu befreien. Eigentlich könnten wir nun ablegen aber der Mechaniker versucht verzweifelt, etwas Öl aus der Wanne zu ziehen. Wenn dort Späne drin sind, würde das auf ein mechanisches Problem schließen lassen. Und doch würde es kaum zu einer anderen Überlegung führen, als dass ich die Leinen hier loswerfe.

Es ist 19 Uhr, als wir den Motor starten und mit geringer Drehzahl aus dem Hafen tuckern und vor der Einfahrt die Segel setzen. Es weht ein schwacher Wind aus SSW und wir kommen zunächst gut voran. Aber nach 7 Seemeilen schläft der Wind ein und es bleibt uns nichts übrig, als den Motor zu Hilfe zu nehmen. Wir sind etwas zu Nah an der Insel und das ist auch der Grund, warum der Wind so schwach ist hier. Weiter draußen hätten wir freien Wind. Erst gegen Mitternacht kommt eine gute Brise auf und wir setzen zum Großsegel auch die Genua. Jetzt geht es direkt auf 6 bis 7 Knoten bei voller Besegelung.

Freitag, 23.06.2023

Wir beschließen 4-Stunden-Wachen zu gehen. Das eröffnet den Wachfreien mehr Schlaf am Stück. Auch wenn sich jeder an die teilweise ruppigen Bewegungen gewöhnen muss, die die Wellen hier im Boot erzeugen. Bei Cam schau ich natürlich noch genauer hin und versuche ihn, so gut es geht, anzuleiten. Er ist wirklich wissbegierig und hat seine neugierigen Augen überall dabei. Ansonsten ist er eher zurückhaltend und verbreitet mit seiner Art gute Laune.

So geht es durch die erste Nacht. Sao Miguel wird immer kleiner und am Morgen ist nichts mehr davon zu sehen. Jetzt heißt es, das Wettergeschehen genau zu beobachten. Windy hat uns ein Zeitfenster aufgezeigt, in dem wir durch ein Flautenloch gelangen können, ohne zu lange auf frischen Wind warten zu müssen. Wir reden von etwa 18 Stunden, in denen vermutlich gar kein Luftzug zu spüren ist. Wenn wir weit genug nach Norden gelangen (auf etwa 43°N) sollten wir am Montag wieder segeln können. Danach gibt es des Windes teilweise eher zu viel aber das müssen wir erstmal abwarten.

Keiner hat so richtig gut geschlafen in der Nacht. Und so verbringen wir auch tagsüber viel Zeit in den Kojen. Wir fahren unter Schmetterling vor dem Wind her und kommen ordentlich voran. Die ersten Delphine werden gesichtet, sie interessieren sich aber in keiner Weise für uns sondern jagen anderen Fischen hinterher.

Und so geht die Tour weiter:

Durch die veränderte Situation mit dem Motor halte ich es nicht für ratsam, wie geplant an Irland vorbei und durch den Kaledonean Kanal zu fahren. Das heißt, meine Entscheidung steht, nun durch den englischen Kanal direkt nach Holland zu segeln. Ich kann noch nicht genau abschätzen, wie lange die Tour bis dorthin dauert und wie viele Stopps ich einbauen werde. Das hängt auch vom Wetter und von der Zeit, die die beiden Mitsegler haben.

Leider musste ich – und das tut mir wirklich sehr leid – meiner Tochter Sarah und ihrer Freundin Sonja für den spannenden Irland/Schottlandtörn absagen, genauso Peter und seinem Freund Ulrich, die mit mir von Edinburgh nach NL gesegelt wären. Es ist wirklich sehr schade aber es gibt für mich keine Alternative, als den Törn jetzt zu Ende zu führen.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Karl-Heinz S.

    Mutig, mutig – aber Petoya ist ja ein Segelschiff!! Wenn die notwendige Stromversorgung mittels Generator gesichert ist, wird es wohl klappen. Alles Gute für Euch!
    Karl-Heinz
    PS: Schöne Bilder (wie immer)

  2. Entweder_Oder

    Good morning to the excellent, new crew, a very warm welcome to Andrea and Cam on board of Petoya Too!
    Question to Skipper Thomas: which is one ( of the three ) national animals of South Africa? Known for its speed and perseverance?
    – back to German-
    Schade, dass es nun nicht „rund“ um Schottland geht… ich kann regelrecht die Enttäuschung Deiner „fast“ zukünftigen Mitsegler fühlen… ist schon gemein, so kurz vorher absagen zu müssen!
    Habe ich mich eigentlich schon mal für die tollen Fotos bedankt??? Danke, danke, danke, es macht so viel Spaß Deinen Blog zu Lesen und die Bilder dazu lassen einen noch ein wenig näher „dabei“ sein. Genial auch die Idee, Euer Bild von Petoya Too in einem Kreis zu Malen, ( ja, ja, der Vermesser kann halt nicht aus seiner Haut), überall nur Vierecke und Quadrate… einzig Petoya Too sticht in einem Kreis hervor… schöne Idee und ein echter Hingucker. Letzte Frage für heute: OK, ich verstehe, dass das nächste Bild auf der Kaimauer neben dem letzten gemalt wird… und das heißt Fortuna (!) … soll ich die jetzt als Aufsteiger für die nächste Saison tippen? Im Ernst jetzt?? Da mach‘ ich mir mal ein paar Seetage Gedanken drüber…

  3. Axel W.

    Schade – keine Nessie-Bilder! Aber safty-first, und damit die richtige Entscheidung! Ich fiebere weiterhin mit Ihnen mit und wünsche guten Wind um viel zu segeln!

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