Roadtown auf Tortola

Einer der kürzeren Schläge wartet auf uns. Am morgen verlassen wir die schöne Bucht auf Norman Island schon wieder und segeln ca. 7 sm hinüber zur Insel Tortola. Die Landschaft um uns herum erinnert an einen überdimensionierten Bergsee in den Alpen, nur ohne Schnee und sehr grün. Das Revier ist geschützt, es tummeln sich eine Menge Boote hier. Die meisten sind auf zwei Rümpfen unterwegs (Katamarane) und die wenigsten nutzen den guten Wind, um zu segeln. Vermutlich sind nicht viele Leute unterwegs, die wegen des Segelerlebnisses hier ihre Zeit verbringen. Der Wind weht aus Südost und damit ziemlich genau in die große Bucht von Roadtown hinein, in der wir versuchen, einen geschützten Ankerplatz zu finden. Auch an diesem Ort dominieren wieder zwei riesige Kreuzfahrer das Geschehen. Einer bläst ungehemmt den schwarzen Ruß – der entsteht, wenn Schweröl verbrannt wird – in die karibische Luft.

Wir finden einen Platz an einer Mooringboje und sind ganz froh darüber. Gemeinsam erkunden wir die Stadt und gehen schonmal zum Terminal, von dem aus uns die Fähre nach Amerika bringen soll. Es gibt mehrere Schalter, an denen jeweils recht gelangweilt auf ihre Handys starrende Angestellte hinter einer Scheibe sitzen. Bemerkt werden wir erst nach geraumer Zeit und die Frage, welches der richtige Schalter für die Rundreise über St. John und St. Thomas ist wird uns leider nicht zufriedenstellend beantwortet und das auch noch recht mürrisch. Am Ende ist es ein Mitarbeiter der Fährgesellschaft, die uns morgen transportieren wird der uns sagt, wann wir wo sein müssen und was es kosten wird.

Es ist heiß heute und wir haben zu wenig zu trinken dabei. Trotzdem wollen wir ein wenig durch Roadtown streifen, um den Hauptort der British Virgin Islands zu erkunden. Allerdings suchen wir vergeblich nach dem Stadtzentrum. Es sieht alles ein wenig ungeordnet aus, nicht wie man als Europäer ein Zentrum einer Hauptstadt erwarten würde. So suchen wir jetzt nach etwas wie einer Sehenswürdigkeit und finden einen botanischen Garten. Allerdings ist der wohl auch schon seit Jahren nicht mehr richtig gepflegt worden. Stattdessen kehren wir auf dem Rückweg zum Schiff noch in eine Bar ein und genehmigen uns ein eiskaltes Getränk. Das weckt die Lebensgeister wieder etwas. Nun noch zum Supermarkt, wo wir ein weiteres mal Höchstpreise für Lebensmittel bezahlen. Aber ein paar Dinge müssen wir einfach jetzt einkaufen.

 

Wir finden einen Gewürzladen aber auch hier sind die Preise astronomisch
Farbenfroh ist es hier fast überall

Es ist schon fast Dunkel, als wir wieder zurück sind und unsere heiß gelaufenen Füße hochlegen können. Wir sind gespannt, was uns morgen für ein Abenteuer erwartet.

Tag der Wahrheit

Pünktlich um halb 8 stehen wir am Schalter und dort empfängt uns eine sehr gut gelaunte Dame am Schalter, die sogar zu Scherzen aufgelegt ist. Allerdings fragt sie nach dem ESTA-Formular. Nur Lilo hat es im Original dabei. Ich finde eine Kopie auf meinem Handy und für Karl-Heinz geht sie auf die Webseite und gibt ein paar Daten ein. Am Ende passt alles zusammen und wir können auf die Fähre. Für den Trip müssen wir pro Person etwa 100 Dollar berappen und bekommen einiges an Showeinlagen geboten.

Auf der Fähre nach St. John
Mit 25 Knoten brettert die Fähre nach Amerika

Von Roadtown geht es zur westlich gelegenen Insel St. John. Diese gehört zu den US-Virgin Islands und ist für uns das Tor zur Welt – zumindest glauben die Amerikaner, dass das so ist. Es gibt dort ein Custom und Immigration Office und jeder Passagier – egal welcher Abstammung – wird von den Offiziellen befragt, was der Grund der Reise ist und ob man Waffen hat oder Früchte importieren möchte oder warum man überhaupt auf die Idee kommt, nach Amerika zu reisen. Alle Passagiere warten geduldig, bis sie an der Reihe sind. Ich bin ein wenig nervös und hoffe darauf, dass alle Formalitäten glatt über die Bühne gehen werden. Derweil wartet die Fähre darauf, dass die Leute alle wieder zusteigen, damit die Reise nach St. Thomas fortgesetzt werden kann. Wir drei sind jetzt an der Reihe und werden von einem Officer in Empfang genommen, der keine Mine verzieht. Das kann er vermutlich auch deswegen nicht, weil er eine furchteinflößend dicke Backe hat. Ich kann die Zahnschmerzen förmlich fühlen. Wir müssen unsere Fingerkuppen scannen lassen und verschiedene Fragen beantworten. „Warum sind sie in St. John“ fragt er mich. Ich antworte wahrheitsgemäß: „Weil ich einen Stempel in meinem Reisepass brauche, der mir erlaubt, nach Amerika einzureisen“. Mir schwant, dass diese Antwort nicht die richtige Wahl war. Er belehrt mich in Englisch, dass immer noch ER bestimmt, wem und ob er jemandem einen Stempel in den Pass haut. Daran habe ich nie gezweifelt, frage mich aber dennoch, was dagegen einzuwenden ist, wenn man wahrheitsgemäß antwortet. Ich korrigiere mich und versuche die Antwort in seinem Sinne zu formulieren: ´I am here for pleasure´… Damit scheint er zufrieden, da es eine der Standardantworten ist, die an dieser Stelle gegeben werden muss. Ich beobachte, wie er den Stempel anhebt und mit Wucht in meinen Reisepass knallt. Dann schreibt er das Gültigkeitsdatum 13.06.2023 hinein. Das entspricht dem exakten Zeitraum von 90 Tagen. Ich grinse, nehme den Pass entgegen und freue mich, dass dieser Teil des Problems gelöst ist.

Die Reise geht weiter nach St. Thomas. Die Insel ist auch sehr amerikanisch geprägt und stellt das genaue Gegenteil von dem dar, was wir in Roadtown erlebt haben. Hier gibt es eine richtig große Stadt mit aller Infrastruktur, die wir Europäer für normal halten. Allerdings liegen gleich 4 Kreuzfahrer vor Anker und bevölkern die Stadt. Ein Juwelierladen neben dem nächsten, dazwischen Boutiquen und Gift-Shops. Und ganz viele Menschen drängeln sich durch die Gassen. Wieder ist es heiß und wir haben nicht genug zu Trinken dabei. In einer Nebenstraße, die nicht so frequentiert ist, finden wir ein Café und entspannen für ein paar Minuten. Dann geht es weiter über 90 Stufen nach oben mit einem grandiosen Blick über die Stadt und auf die weite Bucht mit türkisem Wasser und den eben genannten Kreuzfahrern.

Warten auf den Public Bus in St. Thomas

Mit dem Public Taxi – das ist in der Karibik das Verkehrsmittel der Wahl – kommen wir für 2 Dollar einmal quer über die Insel und gelangen zu einem der schönen Strände die, wenn sie nicht gerade von 1000 Touristen bevölkert sind, als Postkartenmotiv herhalten können. Jetzt kommen Maske und Schnorchel doch noch zum Einsatz. Wäre auch fatal gewesen all das Zeug mit uns herum zu schleppen, um es dann doch nicht zu nutzen. Zu Fuß gehen wir den letzten Kilometer zurück zum Fährterminal und sind pünktlich auf dem Weg zurück nach Roadtown. Wenn der ganze Spaß nicht so teuer wäre, könnte man sich auch mit dieser Art zu Reisen für den Moment anfreunden.

Es gibt nette kleine Gassen hier
90 Stufen bis zum Aussichtspunkt
Insgesamt 4 Kreuzfahrer liegen in der Bucht
Blumenpracht
Die Busse sehen hier feudaler aus, als anderswo

Da wir die British Virgin Islands verlassen hatten und nun von den American Virgin Islands einreisen gibt es einen finalen Zollkontrollgang. Zwei Schalter mit hochmotivierten Mitarbeiter*Innen. Gemäß der angelegten Uniform ist auch der düstere Blick. Mit ziemlich arroganter Mine und einem lässig schwingenden Zeigefinger wird der nächste Passagier aufgefordert in den Dunstkreis der Schalterbeamtin zu treten. Als ich an der Reihe bin werden mir wieder einmal zahlreiche Fragen gestellt. Es ist ja nicht so, dass alle Angaben schon gefühlt zehnmal gemacht wurden. Sie fragt mich, was ich auf Tortola will und wo ich untergebracht bin. Da ich sie nicht richtig verstanden habe oder es auch nicht wollte, frage ich zurück: „What…“. Dafür bekomme ich einen Rüffel, sowohl von der Beamtin, als auch hinterher von Lilo. Erst später ist mir klar, dass das ´What´ in diesem Zusammenhang eher klingt wie ´was willst Du von mir´. Also beantworte ich auch hier wieder alle weiteren Fragen mit der mir möglichen Geduld.

Keiner von uns hat nun noch die Muße, zu kochen und so bestellen wir im Pub an der Pier zwei Pizzen für insgesamt 45.- Dollar (übrigens nicht besonders lecker) und fahren mit dem Dinghy zurück zum Boot.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Lilo

    Ich kann aus erster Hand alles so bestätigen . Das ständige Einklarieren und Ausklarieren , Pässe raus, ESTA raus und wieder rein machte schon unterschwellig aggressiv. Da kann so ein „what“ schon mal rausrutschen . Gut dass wir alles ohne Handschellen hinter uns gebracht haben.
    Danke an dich Thomas für den spannenden und exotischen Segeltrip

  2. Hans Dieter Clemens

    Schön vorsichtig sein in den USA, immer lächeln und alles vermeiden was auffällig sein könnte. Die Beamten sind ziemlich locker mit den Waffen.
    Ich verstehe nicht was schön sein kann bei einer Kreuzfahrt 🛳. Das ausspucken von hunderten Menschen in doch verhältnismäßig kleinen Orten muss für die einheimischen Menschen eine Tortur sein und die wenigen Münzen die diese Leute dort ausgeben, machen sie auch nicht gerade glücklich. Ich kenne einige Kreuzfahrer die mir das bestätig haben, denn das große Geld bleibt auf den Schiffen.
    Genug der Motzerei.
    Deine Fotos sind eine Augenweide und die Hitze 🏜 ist doch in der Nähe des Äquator normal. Wir sind weiter gespannt wie es mit der Petoja Too weiter geht. Liebe Grüße von Roswitha und Dieter aus dem noch kalten Deutschland 🇩🇪

  3. Gaby Klasen

    Thomas, du bist ja richtig braun geworden. Steht dir. Lilo, seid ihr wieder zu Hause? St. Thomas gefällt mir. Schöne Insel.

  4. Axel W.

    Schön, dass es so mit dem Stempel geklappt hat, wie Sie sich das bei unserem letzten Gespräch vorgestellt hatten – klar, Ihr Geduldslevel hätte Ihnen da fast noch einen Strich durch die Rechnung machen können. Nun aber weiterhin eine schöne Zeit!

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