Die Ruhe vor dem Sturm. Um die Ecke herum nimmt der Wind kräftig zu und kommt gegenan

Der Wind hat über Nacht kräftig zugelegt und pfeift mit bis zu 7 Bft. über die Hügel in die Bucht hinein. Ich lege das 2. Reff vorsorglich ins Großsegel. Wir müssen unbedingt noch Wasser tanken und verholen uns zur Tankstelle. Die ist nur etwa 100m entfernt und ich erachte es nicht für notwendig, dafür schon den Kartenplotter einzuschalten. Fehler!!! Schon nach 30m liegt die Wassertiefe bei weniger als 1,4m. Nicht zu fassen. Die Stege der Charterfirmen sind nur 40m entfernt. Ich gebe kräftigen Schub rückwärts und befreie uns wieder. Beim nächsten Versuch kommen wir bis zu dem völlig maroden Steg mit der Tankstelle. Für nur 35 Cent pro Gallone gibt es hier frisch gechlortes Wasser. Ich will das ohnehin nicht trinken und fülle den Tank auf. Bei dem kräftigen auflandigen Wind ist das Ablegen nicht ganz trivial. Dann geht es zunächst unter Motor und Großsegel an der Südküste Tortolas entlang nach Westen. Bald ist auch das Vorsegel gesetzt und wir kommen schnell voran.

Die Häuser liegen sehr exponiert. Ob die Besitzer sich damit einen Gefallen tun, kann ich nicht sagen. Oft weht hier ein kräftiger Wind aus Nordost. Damit ist garantiert immer genug Salz im Essen, wenn man auf der Terrasse speist.

Lilo und Karl-Heinz waren vor 20 Jahren schon hier und würden gerne einen Abstecher zur Insel Sandy Cay machen. Als wir die Südwestspitze Tortolas passieren, legt der Wind plötzlich los, wie der Teufel. Wir starten den Motor und bergen die Genua. Es geht gegen Wind und Welle nur schleppend voran und dauert eine Stunde, bis wir kurz vor dem kleinen Eiland sind. Ankern und mit dem Dinghy an Land gehen ist bei diesen Bedingungen nicht zu machen. Wir drehen ab und fahren in die nächstgelegene Bucht – little Harbour – auf Jost van Dyke (JvD). Hier gibt es Moorings und unser Plan ist, ein wenig zu schnorcheln. Aber auch das verwerfen wir heute. Es ist bedeckt und nur ca. 23° warm. Dazu ist das Wasser so bewegt, dass es keinen Spaß machen würde, zu schnorcheln. Auch diesen Platz verlassen wir schnell wieder und fahren um die nächste Ecke zum Great Harbour.

Die Bucht ist überfüllt, weil sehr beliebt. Es gibt nur wenige Mooringbojen, die nicht vorab hätten reserviert werden müssen und nur 40 Dollar kosten. Die meisten Bojen sind rot und hätten für 55 Bucks gemietet werden können. Zum Glück ist auch Ankern möglich, wobei der Raum dafür recht überschaubar ist. Wir begeben uns in flachere Gewässer und bringen den Hauptanker aus. Doch nach 10 Minuten ist klar, dass er nicht hält. Wir sind bedenklich nah an den Kat hinter uns getrieben worden. Also das Ganze nochmal. Diesmal an einer anderen Stelle. Auch hier macht der Kiel von Petoya Too vorsichtige Bekanntschaft mit dem Untergrund. Also noch ein Versuch. Diesmal klappt es. Zur Sicherheit bringen wir auch den zweiten Anker aus und fühlen uns danach deutlich besser.

Eine wirklich schöne Bucht. Wenige kleine und sehr bunte Häuser an der Wasserfront, keine asphaltierte Straße, entspannte Menschen, der Duft von gerauchtem Gras liegt in der Luft und natürlich „Foxy´s“. Eine dieser weltbekannten Bars. Hier haben sich Generationen von Seglern verewigt, Flaggen aufgehängt – früher hingen wohl lauter Bikinioberteile von der Decke – und sonstige Gegenstände an die Holzbalken gebunden. Hier genehmigen wir uns einen Cocktail, der wenig stilvoll in einem Plastikbecher serviert wird. Dafür sind die 10 Dollar schon recht hoch angesetzt.

Great Harbour auf der Insel Jost van Dyke
Bitte Platz nehmen uns die Aussicht genießen.
Die Insel ist bekannt für Big Partys und die Bar "Foxy´s"
Die Decken hängen voller Wimpel, Kappen und sonstiger Utensilien, die Segler aus aller Welt mitgebracht haben. Die Luft flirrt vom Rauch des Grills und der Marihuanatüten, die hier geraucht werden.

Es folgt der obligatorische Gang zum Ausklarieren. Denn morgen ist es soweit, wir verlassen den Einflussbereich der britischen Krone und begeben uns ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Die Prozedur dauert glücklicherweise nicht ganz so lange, wie befürchtet und schon nach einer Stunde habe ich alles zusammen. Mit nur 15 Dollar war der ganze Behördengang zudem ausgesprochen günstig.

Lilo und Karl-Heinz sind mit dem Dinghy unterwegs und auf dem Rückweg sehen sie endlich auch  eine Schildkröte. Die sind vom Aussterben bedroht, weil sie sich in Fischernetzen verfangen und elend ersticken oder weil ihre Eier von Strandräubern geklaut werden. Die wenigen geschlüpften Tiere müssen erst einmal um ihr Leben rennen um nicht von den Seevögeln gefressen zu werden. Und mit ihren kleinen Beinen schaffen sie es oft nicht über die in Massen angeschwemmten Algenteppiche, die sich teilweise bis zu einem halben Meter auftürmen.

Zurück an Bord versuche ich mich endlich wieder an einem selbst gebackenen Brot. Leider ist der Teig zu wässerig und es kommt nur ein Fladen dabei heraus. So beschließen wir – trotz der großen Strecke, die wir morgen bewältigen müssen – auf der Insel ein Breakfast zu uns zu nehmen. Die ersten Bars sollen angeblich um 7 Uhr öffnen.

Unsere Frühstücksbar am nächsten Morgen.

Auf nach Amerika

Um 6:15 Uhr klingelt der Wecker und um viertel vor sieben sitzen wir im Dinghy. Doch die Geschichte, dass wir erwarten dürfen, dass in der Karibik schon um 7 Uhr ein Frühstück zu haben ist, kommt einem Märchen gleich. In der Bar angekommen, ist nur ein Mitarbeiter. Er sagt, dass es Frühstück ab 7 oder 8 Uhr gibt. Wir schauen uns verdutzt an. Hm, eine Stunde mehr oder weniger. Was ist das schon. Wir versuchen ihm zu vermitteln, dass wir eher um 7 Uhr etwas essen wollen und er bemüht sich, die Chefin ans Telefon zu bekommen. Dann sagt er – es ist mittlerweile viertel nach 7 – dass sie in 5 Minuten da ist. Daraus werden 10 und trotzdem setzen wir uns – benebelt vom Rauch einer Marihuanazigarette – an den Tisch und bestellen ein paar Pancakes und Kaffee.

Gegen halb neun sind beide Anker wieder verstaut und wir setzen das Großsegel. Allerdings ist der Wind zu schwach für das von uns benötigte Tempo und wir fahren etwa zwei Stunden mit Motorunterstützung. Das Wasser ist trotz 50m Tiefe türkisgrün und sehr bewegt. Die Wellen kommen etwas konfus aus mehreren Richtungen. Dennoch geht es mit etwa 6 Knoten ganz gut voran. Dann rollen wir den Genua zur Hälfte aus und die Windfahne wird eingesetzt. Sie macht wie gewohnt einen tollen Job. Auch als wir die Segelstellung auf „Schmetterling“ (ein Segel nach links und eins nach rechts ausgestellt und fixiert) ändern, werden wir super gesteuert. Das Boot liegt sogar viel ruhiger als vorher.

Irgendwann müssen wir aber wegen der voraus liegenden Untiefen unsere Richtung ändern und erneut einen Raumschotkurs fahren. Dabei sind die Wellen zwischenzeitlich immer höher geworden und es scheint, dass wir etwa einen Knoten Gegenströmung haben. Das sorgt dafür, dass sich die Frequenz der Wellen erhöht und diese gleichzeitig noch höher werden. Maximal schätze ich sie auf 5m. Teilweise brechen sich die Kronen. Wir kommen uns vor, wie eine Quietsche-Ente in der Badewanne in dem Moment, in dem man herunter rutscht, um sich die Haare zu waschen. Das macht gerade so gar keinen Spaß mehr und hält etwa 2 Stunden an. Danach können wir noch weiter abfallen und es wird wieder ruhiger. Die ersten Fahrwassertonnen der Ensenada Honda kommen in Sicht. Das Vorsegel wird weggerollt und der Motor gestartet. Lilo und Karl-Heinz hatten sich schon Sorgen gemacht, wie wir wohl das ganze Geflecht an Segeln und Leinen bei diesen Verhältnissen wieder entwirrt bekommen. Aber schnell lösen sich ihre Sorgen in Wohlgefallen auf. Je tiefer wir in die Bucht fahren, desto ruhiger wird das Wasser. Bald kommt unser Ankerplatz in Sicht und das Großsegel wird eingeholt. Auf Anhiebt hält der Pflugscharanker und wir lassen schnell das Dinghy zu Wasser. Ich will noch versuchen, endgültig in Amerika einzuchecken – mit Petoya Too – auch wenn es jetzt schon halb 5 ist.

Die Kneipe der Wahl heißt hier „Dinghy Dock“. Dort lege ich an und mache mich auf den Weg zum Flughafen der Insel. Meine Versuche, die relevanten Daten per CBP ROAM App einzugeben und zu übermitteln scheitern mehrfach kläglich. Das liegt – so lasse ich mich später belehren – an der schlechten Internetverbindung, die ich in der Dinghy Dock Bar hatte. Nur mit sehr schnellem und stabilem Internet ist es möglich, Daten zu übermitteln in dieser App. Wieder etwas gelernt. Nun gehe ich strammen Schrittes Richtung Airport um nach 20 Minuten vor der geschlossenen Bürotür zu stehen. Eine freundliche Mitarbeiterin einer ansässigen Fluggesellschaft überlässt mir ihr Festnetztelefon und ich kann mit Senor Hernandez sprechen. Einem Customofficer vom Westende Puerto Ricos. Er sagt mir, dass der einfachste Weg der mit der App ist… Aha! Der nächste Weg ist der, dass ich am Montag – dem Tag an dem Lilo und Karl-Heinz nach Hause fliegen wollen – nochmal ins Office komme und alles erledige. Nachdem er verstanden hat, dass es wichtig ist, dass wir das früher hin bekommen, verständigt  er einen anderen Officer, der extra von Puerto Rico herüber kommen muss und das ausnahmsweise auch am Sonntag tut und zwar um 8 Uhr. Einerseits bin ich erleichtert andererseits aber noch keinen Schritt weiter. Noch bin ich nicht in den USA angekommen und alles hängt in der Luft. Wir dürfen das Boot nicht verlassen, bis die Formalitäten erledigt sind. Aber wir haben den Drang, nach dieser harten Etappe einen Cocktail zu uns zu nehmen. Also legen wir die Tarnkappen an und schleichen uns in der Dunkelheit von See her kommend an die Dinghy Dock Bar und trinken den bislang besten Cocktail der ganzen Reise…

Die Bar heißt "Dinghy Dock", weil man vom Boot aus direkt dort anlanden kann, zwei Schritte geht und dann den Cocktail schlürft. Riesige - bis zu 2m lange - Tarpune schwimmen direkt vor der Bar und warten auf Fütterung. Sie sollen bei Anglern sehr beliebt sein, weil sie wohl hartnäckig kämpfen.

Die Hängepartie geht also in die nächste Runde. Hoffentlich lösen sich die Sorgenfalten morgen in Wohlgefallen auf und wir können uns auf der Insel frei bewegen…

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Entweder_Oder

    Moin Thomas,
    ah, ich hab‘ gerade nochmal hochgescollt, ihr ward auf JvD, und ich hatte schon befürchtet ihr seid jwd, janz weit drusse, wie man hier im Rheinland so sagt..
    Und Karibik kann ja doch auch richtig schön sein, wie man in den letzten Blog Bildern sehen kann, der Lilo herzlichen Glückwunsch nachträglich zum Geburtstag… wäre das nicht mal ’ne tolle Idee für meinen Geburtstag? Ach, nee, ich hab‘ ja Anfang Oktober Geburtstag, da ist eher nicht die beste Reisezeit für die Karibik…
    Hier in Europa heißt es gleich (frei nach „Paulchen Panther“): „Wer hat an der Uhr gedreht, ist es wirklich schon so spät?“ Werden denn auf euren Inseln auch die Uhren umgestellt?
    Mit welcher Zeit ist wohl der extra Officer aus Puerto Rico unterwegs? Und das auch noch Sonntags?
    Behörden, eh? Sind wir hier in Deutschland etwa besser? Oder einfacher? Oder können wir hier auch richtig kompliziert? So richtig, richtig kompliziert? Ich schaue auf dich: Grundsteuererklärung…
    einatmen – ausatmen,
    Ich wünsche Lilo und Karl-Heinz einen guten Heimflug, genießt den vorläufig letzten Urlaubstag in der Karibik,
    enjoy and save travels

  2. Dr. Hans-Henning Gernhardt

    ….die Plöner grüßen Euch mit Ende gut, alles gut und haben Euch in der Karibik verfolgt. Lilo nachträglich herzliche Glückwünsche zum Geburtstag.(was für ein Geschenk!!)

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