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Abschied von Lissabon am Morgen des 21.09.2022

Der Plan steht. Wir haben ein Zeitfenster ausgemacht, in dem es mit der Überfahrt nach Madeira klappen sollte. Allerdings verbunden mit teilweise schwachen Winden aus nördlichen Richtungen. Egal, noch länger können wir hier nicht warten. Franzi und Lars haben nur 2 Wochen Zeit, der Rückflug ist am 2.10. Das heißt, wir müssen es versuchen. Und da mir der längere Schlag für den Beginn besser erscheint und auch zum Wochenende hin an der portugiesischen Küste wieder mit Starkwind zu rechnen ist, brechen wir nun wirklich auf.

Ich verspüre eine gewisse Anspannung, ein Grummeln im Bauch und ich glaube den beiden geht es genauso. Das längste Stück, was sie bisher bewältigt haben waren die 2 Tage von Madeira nach Lanzarote, 2019 auf dem Schiff von Peter Donnisson.

In der Nacht hat es kräftig geregnet und alle Persenningen sind triefend nass. Für halb 10 haben wir uns mit der ´Pika Tetu´ an der roten Tonne eingangs der Bucht die nach Lissabon führt, verabredet. Also auch hier ein wenig Zeitdruck. Nach einem guten Frühstück legen wir um kurz vor 9 ab und machen uns auf den langen Weg. In der Ferne sehen wir das Boot der Franzosen, die ich schon in Porto kennengelernt hatte. Sie wollen möglichst nicht alleine unterwegs sein, weil sie 2 Kinder mit an Bord haben und noch nicht so viel seglerische Erfahrung vorweisen können. Einen Versuch, nach Madeira zu fahren haben sie bereits abgebrochen und sie sind froh, dass wir jetzt gemeinsam die Tour bewältigen wollen. Eine Stunde später begegnen wir dem Boot – sie sind aus einem anderen Hafen losgefahren – und wenig später kommt der Funkspruch, dass sie auch diesen Versuch wieder abbrechen müssen, weil sie ein Problem mit ihrem Großsegel haben. Wir bedauern es sehr, nicht in Begleitung fahren zu können. Aber natürlich fahren wir jetzt weiter.

Schon nach einer weiteren Stunde begegnen uns wieder Delphine. Franzi hatte erzählt, dass sie bei der Tour 2019 erst am letzten Tag ein paar dieser schönen und elegant durchs Wasser gleitenden Tiere gesehen hatte. Und jetzt vergeht kaum eine Stunde in der nicht wieder eine neue Gruppe zu uns stößt.

Wir müssen – wie vorhergesagt zunächst unter Motor fahren. Ein erster Segelversuch nach 2 Stunden scheitert kläglich. Nach weiteren 3 Stunden brist es endlich ein wenig auf und wir kommen unter Segeln mit etwa 4 Knoten voran. Es gab bei der Motorfahrt einen Wehrmutstropfen. Aus irgendeinem Grund ist die Ladekontrollleuchte plötzlich permanent leuchtend. Ich checke den Motor, finde aber keine Lösung. Mein lieber Bruder Markus, der den Motor gut kennt versucht eine Ferndiagnose. Wichtig ist vor allem, dass die Kühlwasserpumpe weiter ihren Dienst tut. Die Batterien bekommen wir auch über die Solarpaneele gefüttert.

Der Tag neigt sich dem Ende und Franzi und Lars zaubern eine herrliche Champignon-Sauce für die Nudeln, die uns die nötige Energie bringen. Dazu den Rest des Bauernsalates. LECKER

Es geht in die erste Nacht. Franzi hat die erste Wache von 18 bis 21 Uhr, erlebt den Sonnenuntergang und macht ihre Sache sehr gut. Dann folgt Lars bis 1 Uhr nachts und ich dann von eins bis sechs am Morgen.

  1. Tag

Natürlich finden wir in der ersten Nacht nicht den Schlaf, der nötig ist aber es war zum Glück einigermaßen entspannt. Wir konnten in der Nacht durchsegeln – immer so zwischen 4,5 und 5,5 Knoten. Das ist mehr, als ich erwartet hatte. Am Morgen wechseln wir noch vor dem gemeinsamen Frühstück das Vorsegel. Nun zieht uns der riesige Blister – ein buntes Ballonsegel – durchs Wasser. Anfangs noch verhalten, später am Nachmittag dann mit bis zu 6,5 Knoten. Das ist mehr, als wir im Vorfeld erwarten durften. Nach 24h haben wir ein Etmal von 120 Seemeilen geschafft, was unter den gegebenen Umständen ok ist.

Ich probiere die Funkanlage aus und kann ein paar Mails absetzen. Es ist gut zu wissen, dass der Kontakt zur Außenwelt nicht komplett abgebrochen ist. Wir empfangen seit der Nacht ein AIS-Signal von einem Schiff, das ca 20km hinter uns genau auf unserer Kurslinie fährt. Das scheint auch ein Segler zu sein und wir freuen uns, dass wir auch so weit draußen nicht ganz alleine sind. Die Hauptschifffahrtslinie hatten wir bereits gestern Abend überquert und seitdem wird es deutlich weniger, was die Begegnung mit anderen Schiffen betrifft.

Auf dem AIS können wir den Dampfer schon sehen, der uns sehr nahe kommen sollte...
Ich funke ihn an und mir wird prompt geantwortet,dasser uns ausweichen würde...

Am Abend funke ich ein riesiges Containerschiff an, weil es genau Kurs auf uns hält. Der Funker dort war sehr nett und sagte, dass sie hinter uns passieren würden. Ist schon unglaublich, da ist man 350km von jedem Land entfernt und begegnet einem solchen Koloss so, dass man ohne eine Maßnahme auch durchaus zusammenstoßen würde und dann weicht uns dieser 300m lange Dampfer auch noch aus.

Wir rechnen mit unserer Ankunft in Madeira am Sonntag und hoffen darauf, dass wir den Motor nicht so viel einsetzen müssen.

Der Wind steht zum Glück durch und weht immer zwischen 2 und 4 Beaufort aus Nord. Wir haben alle Segel so gut es geht fixiert, damit sie in den Wellen nicht immer so heftig schlagen können. Das geht sonst ziemlich aufs Material. Unser nächstes Etmal liegt wieder bei 120 Seemeilen. Das entspricht genau dem, was ich mir insgeheim erhofft hatte. In der Nacht hat es zeitweise etwas kräftiger geweht und ich überlegte, den Blister weg zu nehmen aber am Ende sind wir froh, ihn stehen gelassen zu haben. Zeitweise konnten wir auf diese Weise fast die maximale Rumpfgeschwindigkeit erreicht mit 7,5 Knoten.

3.Tag

Wir fühlen uns soweit wohl, Lars ist etwas schläfrig und ihm ist ein wenig flau. Ich hoffe, dass er nicht krank wird. Das mit den Wachen hat sich sehr gut eingespielt. Franzi hat die wenigste Erfahrung und es ist immer einer von uns beiden bei ihr oder auf Rufweite entfernt. Dann teilen Lars und ich uns die langen Nachtwachen mit jeweils 4 Stunden.

Am Morgen gibt es eine kleine ´Halfway-Party´. Wir stoßen mit Apfelsaft an, darauf, dass wir jetzt nur noch einmal die gleiche Strecke zurücklegen müssen. Hier mischen sich Mut und Frust ein wenig.

Am Mittag ist Badetag und nacheinander gehen wir unter die Freiluftdusche und fühlen uns danach wie neu geboren. Die Badeplattform erweist sich als sehr hilfreich. Nächster Programmpunkt ist das Basteln von Tauwerkschäkeln. Während der ganzen Reise verrichtet die Windsteueranlage wieder ihren Dienst und wir müssen hin und wieder nur schauen, ob um uns herum jemand ist, der sich in unsere Bahn legen könnte.

Die Außendusche hat sich schon bezahlt gemacht

Heute soll es wieder einmal Pfannkuchen geben, Lars und Franzi sind ja noch nicht in den Genuss gekommen, sie zu probieren. Allerdings haben wir zeitweise auch wieder Schräglage. Mal schauen, was das am Ende gibt.

An die konfusen Wellen kann ich mich nicht wirklich gewöhnen
Der Blister leistet gute Dienste und zieht uns Non-Stop über etwa 30 Stunden über den Atlantik

Der Wind ist weiter gut und wir fahren permanent zwischen 5,5 und 6,5 Knoten. Dies dürfte zu einem sehr guten Etmal führen Morgen. Wir sind gespannt darauf.  Am Abend werden die Wellen konfus. Wir nehmen zur Sicherheit das große Segel doch weg und setzen die Genua im 1. Reff. Alles wird wieder kreuz und quer fixiert aber die Bewegungen unter Deck sind nicht dazu geeignet, Schlaf zu finden. Immer wieder rollt das Schiff von einer zur anderen Seite, manchmal ist es eine runde Bewegung, oft aber auch ruckartig. Man kann sich nicht darauf einstellen. Es ist eine Qual. Schlafentzug ist grundsätzlich nicht schön und wir haben dringend eine Ruhepause nötig. Aber die gibt es nicht. Dazu kommt, dass der Tag grau ist und wir nicht so viel Strom erzeugen können mit dem Panel. Der Kühlschrank muss nun doch ausgestellt werden und alle Verbraucher, auf die wir verzichten können werden abgekoppelt. Ein wenig vegetieren wir heute dahin. Der Tag vergeht schleppend und wir nutzen jede Chance, uns aufs Ohr zu legen. Dann geht es in die 4. Nacht. Die wird genauso unruhig, wie die Nacht davor. Zwar sind wir von den angesagten Flauten verschont geblieben und es gab nur kurze Momente, in denen der Wind nachgegeben hatte aber die Wellen sind immer wieder eine Tortour. Hatte ich es am Anfang der Reise noch als Dauerfahrt mit der ´Wilden Maus´ bezeichnet, So findet sich kein Fahrgeschäft auf der Kirmes, das mit dem hier draußen konkurrieren kann. In der Nacht ziehen Squalls über uns hinweg. Dunkle, regenschwere Wolken, die die Luft unter sich komprimieren und beschleunigen. Es brist auf 6 bis 7 Bft. auf und wir sind froh, die beiden Segel vorab etwas verkleinert zu haben. Die Bewegungen unter Deck werden unerträglich. Wieder finden wir keinen Schlaf. Das geht schon in Richtung ´Survival-Training´. In den frühen Morgenstunden sichten wir dann endlich Land. Die ´Badeinsel´ Porto Santo liegt an Steuerbord und es sieht danach aus, dass wir zumindest korrekt navigiert haben. Der Drang, dort in den Hafen zu gehen hält sich in Grenzen. Franzi und Lars haben seinerzeit dort in einer Bucht geankert und konnten genauso wenig schlafen wie jetzt hier im schwankenden Boot. Wir brauchen einen ruhigen Hafen und der liegt noch weitere 40 Seemeilen entfernt auf der Hauptinsel Madeira. Der Hafen Quinta do Lorde soll solch ein ruhiger Fleck sein. Er ist ganz im Osten der Insel und wir sehnen uns alle danach.  Wenn wir dort angekommen sind, haben wir 550 Seemeilen in 102 Stunden zurückgelegt. Und davon nur etwa 40sm unter Motor.

Etwa auf der häfte der Strecke begegnen wir einem anderen deutschen Segelboot. Es ist die ´BALU´, die sich mit Christiane und Dieter auf Welttour befindet. Im Mai hatte ich mich von ihnen in Warns (NL) verabschiedet und eine Visitenkarte bekommen. Jetzt sind die beiden - wie wir - auf dem Weg nach Madeira.
Das große Segel vorne nennt sich Parasailor und soll auch bei mehr Wind immer noch gut zu handhaben sein.
´Balu´ und ´Petoya Too´ - Crew schießen gegenseitig ein paar Fotos. So oft hat man ja nicht die Gelegenheit, sein Boot von außen zu betrachten
Hier sind wir noch mehr als 200 Seemeilen von Madeira entfernt
Laaaaand in Siiiiicht. Nur noch wenige Seemeilen und wir sind endlich angekommen. Am Ende hat uns die See nocheinmal richtig durchgeschüttelt.
Marina Quinta do Lorde Voraus
Die Wellenberge lassen sich nicht gut fotografieren. Manchmal türmen sie sich meterhoch am Heck auf um dann das Boot sanft anzuheben und darunter durchzugleiten. Franzi sitzt trotzdem sehr entspannt im Cockpit

Ausblick: Wir wollen – je nach Wetterfenster für die Fahrt nach Lanzarote – möglichst erst am Mittwoch weitersegeln und die Zeit bis dahin mit aktiver Erholung füllen.

Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. Barbara/Peter

    Hi Thomas, Glückwunsch. Toll das Ihr da so durchgehalten habt. War mal wieder richtig spannend. Gehe davon aus, daß der Anleger mehrere Stunden gedauert hat. Wir freuen uns auf die nächste Folge der
    Serie „Ein Jahr ohne Streß“.

  2. Axel W.

    Toll, super Leistung! Ich habe die letzten Berichte mit Spannung nachgelesen. Bei dieser Überfahrt konnte man richtig mit zittern. Nun gute Erholung und weiterhin eine schöne Reise.

    1. Marianne Kargol

      Erholt Euch gut, Ihr Drei. Habe teilweise gedacht, da stimmt was nicht. Alles Liebe an EUCH. M.

  3. Gaby Klasen

    Spannend. Habe über den Bericht die Zeit vergessen und werde nun meinen Computer anschmeißen. Schön, dass ihr es doch bis Madeira geschafft habt. Schlaft gut!

  4. Barbara M

    Hut ab vor der tapferen Crew. Nach gut 100 Stunden Schaukelei müsste ich mich vermutlich 3 Tage äußerst inaktiv erholen und würde dann erst einmal für zwei Wochen die Wanderschuhe auspacken, an Blümchen schnuppern, Aussichten genießen und mich durch die Markthalle in Funchal futtern. Dass Ihr spätestens Mittwoch gleich nachlegt … Wow. Weiter gutes Gelingen!

  5. Karl-Peter Lux

    Hast du das Problem mit dem Generator lösen können?

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