Es ist 5:55 Uhr UTC, ich liege in meiner Koje und habe Stöpsel in den Ohren gegen das laute Dröhnen des Schiffsdiesels. Chris hat Wache und schaltet mit einem Mal den Motor aus. Himmlische Ruhe an Bord.
Ich entferne die Fremdkörper und höre ein Schmatzen und Gurgeln entlang der Bordwand, an die mein rechtes Ohr gelehnt ist. Wind! Wir können segeln und zwar mit bis zu 6 Knoten. Die Wetterprognosen waren also richtig. Die Lebensgeister kehren zurück, wir frühstücken im Cockpit und sind voller Elan. Heute fällt die Marke von 200 Meilen.
Schon früh ist es ziemlich warm und jede Bewegung treibt uns Schweißperlen auf die Stirn. Der Blister wird gesetzt, um noch ein wenig mehr Tempo heraus zu kitzeln. Unermüdlich sitzt Chris heute am Steuer und hält den Speed oben, nutzt jeden kleinen Winddreher.
Am Tag zuvor ist die Flaggenleine durchgescheuert gewesen und so können wir unmöglich nach Saint Lucia segeln. Es ist schließlich Brauch, dass man von dem Land, welches man gerade besucht, die Landesflagge unterhalb der Saling (Querstrebe zur Stütze des Mastes). Ich entschließe mich, heute den Mast zu entern und die Leine wieder einzufädeln. Für diesen Zweck gibt es an Bord einen sogenannten Bootsmannsstuhl. Da setzt man sich hinein und lässt sich ganz bequem vom Rest der Crew mit einem Fall (Leine, die durch den Mast ans obere Ende und dann über eine Rolle wieder bis zum Deck führt – damit kann man zum Beispiel einen Blister setzten) nach oben ziehen. Gesagt getan, Chris und Guido machen ihre Arbeit hervorragend, wenn gleich sie unter meiner Last ganz schön zu ackern haben. Schnell ist die Leine eingefädelt und ich entere den Mast noch ganz bis nach oben. Von dort habe ich einen tollen Rundumblick über das weite Meer. Aber es nutzt nichts, das Land ist noch nicht in Sicht. Ein paar Fotos und dann wieder runter. Schließlich lässt es sich auch Guido nicht nehmen, aufzuentern um mit seiner GoPro noch ein paar Aufnahmen zu machen. Als diese Aktion beendet ist, nehmen wir den Blister weg. Der Wind ist schwächer geworden und kommt in einem ungünstigen Winkel von hinten. Nun also die Genua mit einem Baum nach Steuerbord gesetzt, das Großsegel auf Backbord und schon ist der Schmetterling fertig. (Ich glaube das waren ein paar Segelbegriffe zu viel, oder?)
Während Chris sich kurz ausruht und später ein tolles Hühnerfrikassé zaubert, sitze ich mit Guido im Cockpit und bastle noch ein paar Tauwerkschäkel. Dann wird – zum vorletzten Mal auf dem Atlantik gemeinsam zu Abend gegessen und ein wenig geklönt. Plötzlich taucht eine Schwalbe auf – wir sind mehr als 150 km von Barbados entfernt und scheint nach langem Flug ziemlich erschöpft zu sein. Allerdings nimmt sie unser Angebot – ein paar Krümel Pumpernickel – nicht an. Stattdessen macht sie einen kleinen Rundflug durch das Innere des Schiffes so dass wir Mühe haben, sie wieder heraus zu bugsieren. Der Nachteil bei diesen Vögeln ist, dass sie sich im Flug erleichtern und das hätte ich nicht ganz so gerne auf den Polstern ?? Aber das ist noch nicht alles. Eine viertel Stunde später kommt ein Kamerad – eine weitere Schwalbe angeflogen. Die ist deutlich agiler aber eines haben die beiden gemeinsam. Sie scheinen keine Scheu vor Menschen zu haben. Nun sitzen sie einträchtig auf einer dünnen Leine am Heck des Bootes und lassen sich durch die Gegend kutschieren – ohne Fahrschein.
Unsere Angelversuche müssen wir leider jetzt aufgeben. Es schwimmt soviel Tang auf dem Ozean – und das schon seit Tagen – dass wir permanent das Ruderblatt der Windsteueranlage davon befreien müssen. Alle zwei Stunden schieben wir mehrere Kilogramm von dem Kraut mit Hilfe des Bootshakens herunter unter machen danach immer einen Satz mit dem Schiff. Das bremst uns wahrhaftig etwas ein.
Jetzt also die vorletzte Nacht auf hoher See. Aktuell noch 150sm. Wenn wir halbwegs gut durchkommen, dann sollten wir in den frühen Morgenstunden des 14.12.2022 in Saint Lucia eintreffen. Drückt uns für die letzten Meilen noch einmal kräftig die Daumen
Das nennt man Seemanschaft, super eure Crew. Mit dem Daumen drücken machen wir schon seit Tagen, noch mehr geht nicht wir haben nur Zwei. Die Schwalben sind Glücksbringer und landen nicht auf jedes Boot. (schmunzel). Weiter so. In einem vorigen Blog schreibst du von einer alten Lady, der Skipper wird alt, ein Boot nie !!!.
Grüße aus dem kalten Deutschland 🇩🇪
👍
Schon mal ein Hoch auf die Petoya Too!! Die großartige alte Lady! Und natürlich auf die tolle Crew samt Skipper! Auch die letzten Seemeilen begleiten euch unsere guten Wünsche!
Ich freue mich schon auf den Bericht der Zielankunft und noch mehr auf die Berichte, wenn Ihr zurück seid. Bis dahin: Genießt die letzten Meilen und ich wünsche Euch eine phantastische Zielankunft.
Daumen sind fest gedrückt – im Büro brauche ich die Hände gelegentlich- aber jetzt am Feierabend gehören die Daumen ganz euch!
Hallo Thomas, jetzt geht es auf die Zielgerade. Was muß das für ein tolles Gefühl sein. Gönnen wir Euch von ganzem Herzen. Tolle Crew-Leistung. Wir drücken die Daumen bis zuletzt. Ihr müßt nun jeden Augenblick das Ziel sehen können. Schließlich ist die Erde bekanntermaßen eine Scheibe und man kann dadurch sehr weit sehen. Mach bitte bei der Einfahrt ins Ziel die Bordkamera an. Der Schampus ist hier schon kalt gestellt und wir werden auf Euer Wohl anstoßen. Wir freuen uns auf Deinen Kommentar zur Ankunft.
Lieber Thomas,
Ich drücke euch auch für die letzten Meilen ganz feste die Daumen!
Tolle Leistung und den Endspurt schafft ihr jetzt auch noch!
GLG Nicole
…und jetzt sind auch die letzten Meilen geschafft! Herzlichen Glückwunsch!
Angekommen! so der Tracker! Herzlichen Glückwunsch! Nach solch einem Abenteuer darf man zu Recht stolz auf sich sein. Ein paar schöne Tage in der Karibik bevor es zurück nach Deutschland geht. Hier ist es kalt – ich würde gerne mit Ihnen tauschen.
Herzlichen Glückwunsch, toll gemacht. Ganz liebe Grüße aus der Heimat. Mutti
Nun habt Ihr es geschafft und könnt Euch erst mal richtig ausschlafen… Glückwunsch und liebe Grüße!