Im Hintergrund die Felseninsel Rodonda, im Vordergrund Wellen bis zu 5m und Windstärke 7 bis 8

Wie vorhergesagt war die Nacht wieder furchtbar. Das Boot hat geschaukelt, als hätte es das in seinem Leben noch nicht getan. Dass ich nicht aus der Koje gefallen bin, ist ein Wunder. Mich hält hier nichts mehr und ich lichte um kurz nach 8 Uhr den Anker. Die Besegelung bleibt unverändert. Das Großsegel im 3. Reff und das Vorsegel zwischen Reff 2 und Reff 4. Schon bald bin ich aus dem Wind- und Wellenschutz von Montserrat heraus und die volle Wucht der Atlantikwelle kommt über mich. Zwar bleibe ich heute von Squalls verschont aber viel angenehmer ist die ganze Sache trotzdem nicht. Zum Glück liegt auf der Hälfte der Strecke die unbewohnte Felseninsel Rodonda, dort verschnauft die Well für ein paar Minuten, bevor es danach wieder los geht. Ein Problem ist sicher auch das sehr unruhige Unterwasserrelief. Die Tiefen variieren hier zwischen 25 und mehr als 900 m. Und entsprechend sieht es hier draußen auch aus. Petoya Too macht es trotzdem wieder ziemlich gut und die Windfahne steuert wie gewohnt zuverlässig. Aber Spaß empfinde ich bei dieser Art zu segeln nicht. Ich wünschte, es wäre mal etwas ruhiger, weniger ruppig. Ständig bin ich in Sorge, dass irgendetwas durch die Gegend fliegt und leider muss ich einige Male auf die Badeplattform steigen und versuche die Algen vom Ruderblatt der Windfahne zu streifen. Immer wieder ein gefährliches Unterfangen. Ich muss mich doppelt sichern mit meinem Gurt und mich dann irgendwie so verkeilen, dass ich mit beiden Händen den Bootshaken an die Hinterkante des Ruderblattes bekomme, um dort dann die vielen Algen , die sich verfangen herunter zu schieben. Das ganze bei starken Bootsbewegungen und Wind und Welle sorgt bei mir für reichlich blaue Flecken an Armen und Beinen.

Unterwegs werde ich von einem Amerikaner angefunkt, der heute morgen in der benachbarten Bucht auf Montserrat genauso unruhig geschlafen hat. Er ist auf einer Hustler 49 ebenfalls auf dem Weg nach St. Kitts. Er wollte nur sicher gehen, dass er nicht alleine ist bei diesen furchtbaren Bedingungen hier draußen. Für ihn ist es genauso beruhigend, wie für mich. 

Die Überfahrt dauert ca. 5 bis 6 Stunden, dann bin ich endlich in der Abdeckung der Insel Nevis. Was für eine Wohltat. Endlich ist die Welle weg und das Boot liegt ruhig wie auf Schienen. Beinahe unwirklich ist es, dass Segeln doch noch ein wenig Spaß bereiten kann. Ich hole die Landesflagge aus dem Archiv und tausche die französische gegen die Flagge von St. Kitts & Nevis aus.

 

Zwei Kreuzfahrtschiffe liegen an der Pier. Man ist bestrebt, noch eine weitere Pier zu bauen, sodass demnächst 4 Schiffe gleichzeitig Menschen mit Geld in den Taschen ausspucken und dem Land zu Wohlstand verhelfen können.

Kurz vor der Einfahrt funke ich den Hafenmeister an und frage ihn, ob es in dieser wirklich kleinen Marina vielleicht noch einen Platz für ein vergleichsweise wirklich kleines Segelboot gibt. Er antwortet: NEGATIV Seine Antwort klingt für mich aber eher wie ´im Moment habe ich keinen Platz´. Ich bleibe hartnäckig und erzähle ihm von dem kleinen Bötchen, das in die hinterste kleine Ecke passen würde und sich ganz bestimmt ruhig verhalten und niemanden stören wird. Ich würde auch auf der Warteliste stehen wollen, Hauptsache ich komme heute in diesen Hafen hinein. Er überlegt einen Moment und erzählt, dass er zwei Reservierungen habe. wenn sich einer nicht melden würde, dann könnte es sein, dass ein Platz frei wird. Ich solle erstmal draußen vor Anker gehen. Gesagt, getan. Ich ankere und nutze die Zeit zum Einklarieren. Hier muss ich aber wieder zwei Stationen anlaufen. Erst Customs und dann Immigration. Das kostet Zeit und Nerven. Aber am Ende klappt alles und ich bekomme einen der beiden freien Plätze weil sich einer nicht gemeldet hat.

Von Sabine und Burkhard hatte ich den Tipp bekommen, dass es im Ort einen Handyladen gibt, der auch Reparaturen vornimmt. Allerdings ist der Techniker nicht mehr da und kommt erst am Montag morgen wieder. Ich lasse mein Handy mit der Bitte dort, es dem Techniker direkt als erstes vorzulegen. Hoffentlich klappt das. Ich habe so viele wichtige Apps und Daten da drauf, dass ich nur schwer darauf verzichten kann. Unter anderem habe ich dort auch eine Liste mit Passwörtern, ohne die ich im Moment aufgeschmissen bin. Drückt mir die Daumen, dass alles gut geht.

Der kleine Hafen von Basse-Terre auf der Insel St. Kitts.

In der Nacht schlafe ich wie ein Bär. Keine unnötigen Bootsbewegungen und Ruhe. Das geht also auch noch. Ich frühstücke und begegne Jim – dem Amerikaner von gestern – er erzählt, dass er mit seiner Frau Stacey und der Tochter Marlene unterwegs nach Puerto Rico ist, wo sie seit einigen Jahren wohnen. Er erwartet heute ein befreundetes Pärchen und gemeinsam wollen sie zum Fort George hoch gehen, das die Briten im Jahre 1690 begannen aufzubauen. Eine ewig währende Geschichte, die in der kompletten Karibik für unzählige Tote sorgte auf englischer, französischer, spanischer und  niederländischer Seite. Oft wechselten die Inseln hier ihre Besitzer wie andere ihre Hosen. Das ganze hörte erst im 19. Jahrhundert auf, als man sich die Inseln aufteilte und die kriegerischen Auseinandersetzungen ein Ende fanden. 

Ich freue mich darauf, den Tag nicht alleine verbringen zu müssen und so spazieren wir am frühen Nachmittag zu einer Busstation. Die Public Buses befördern hier zum Preis von 2 US-Dollar über die ganze Insel, wenn es sein muss. Allerdings ist der Komfort eher begrenzt. Die Busse sind nicht größer als ein VW-Bus und es nehmen bis zu 16 Personen darin Platz. Bei den vorherrschenden Temperaturen ist das eine schweißtreibende Angelegenheit. 

Jeder zweite Souvenirladen ist ein Geschäft, in dem es Diamanten zu kaufen gibt. Ein kleiner Streifzug durch einen Ort, der von den Kreuzfahrern lebt...
Ordnung muss sein und es gibt sowohl Polizisten...
...als auch Polizistinnen, die für Ruhe sorgen aber scheinbar nicht so viel zu tun haben.
Ansonsten ist der Ort vor allem eins: BUNT

Von der Wanderung zum Fort erzähle ich noch separat. Ich hoffe, dass ich die Fotos von meiner Kamera noch auf mein dann repariertes Handy übertragen kann. Denn dort habe ich noch ein paar Überraschungsgäste drauf…

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Hans Dieter Clemens

    Hallo Thomas, die Insel beschreibt man bei Google als die Perle der Karibik. Wenn man sich die Hotel Preise an sieht kann das schon stimmen kaum ein Hotel unter 900$p.N..
    Schön das du einen Platz im Hafen gefunden hast. Dein Video auf Instragam mit blauem Wasser, hohen Wellen und Wind ist schon beeindruckend und sieht hier vom Sessel erst mal ideal aus. Wenn man dann deine Beschreibungen im Blok liest wird man schnell andere Meinung. Wettermäßig habe ich mir die Karibik anders vorgestellt.
    Liebe Grüße aus Brandenburg von Roswitha und Dieter

  2. Melanie Zimmermann

    Lieber Thomas,
    Dein Segelkrimi geht weiter. Ich freue mich jedes Mal von Dir zu lesen. So weiß ich, dass Du bei dem heftigen Wellengang nicht von Bord gegangen bist. Besonders bei den Algenbefreiungen aus dem Ruder. 🙈
    Ich habe mir die Karibik ebenfalls ruhiger vorgestellt. Du solltest mal vor der Insel Mauritius segeln gehen. Dort gibt es keine Wellen 😂
    St. Kitts und Nevis stehen in meinem „was man alles mal gesehen haben muss-Reiseführer“ ganz weit oben. Soll wirklich ein Traum sein. Hoffentlich wird der Tag und die Wanderung Dich dafür belohnen, die Reise auf Dich genommen zu haben. 😊
    Liebe Grüße
    Melanie

  3. Gaby Klasen

    Hübscher Ort. Beim Wetter wünsche ich dir für die nächsten Wochen mehr Glück.

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